Hansa Rostock erwacht zu spät auf dem Dallenberg

M Updated 26 April 2016
Hansa Rostock erwacht zu spät auf dem Dallenberg

WürzburgWir befinden uns bereits mitten in der heißen Phase der aktuellen Drittligasaison. Im Tabellenkeller ist noch alles möglich und oben geht es nur noch um den Relegationsplatz. Auf diesem möchten die Würzburger Kickers sich nun auch offiziell unbedingt nach dem letzten Spieltag einfinden, sodass es in der folgenden Zweitligasaison ein Bruderduell mit dem 1. FC Nürnberg geben könnte. Würzburg gehört nämlich noch zum Einzugsgebiet des Clubs. Mit dem Club würden sich bestimmt auch die Rostocker sehr gern messen, aber für sie geht es noch um das Vermeiden von Duellen mit Schönberg 95 oder Herthas Reserve. So oft spielte Hansa noch nicht im Frankenland und in Würzburg schon gar nicht, sodass der Gästebereich mit 1.500 Hansa-Fans ausverkauft war. Viele waren bereits am Freitag angereist und genossen das sommerliche Wetter oder besichtigten die Stadt am Samstag. Der stetige Regen am Spieltag zerrte zwar an den Nerven, doch einige trotzten und erklommen die Festung oberhalb der Main-Brücke oder lauschten den regionaltypischen Liedern zweier Sänger auf dem leeren Markt.

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WürzburgTrotz des Regens kamen fast 8.000 Zuschauer ins Stadion am Dallenberg. Eine kleine überdachte Tribüne, Gitter, wuchtige Stehstufen auf der Geraden und eine Stahlrohrkonstruktion im Gästeblock geben dem Ort sein unverkennbares Gesicht. Nostalgiker werden den Besuch auch genossen haben. Für sie stechen auch zwei Namen heraus – Bernd Hollerbach als HSV-Idol und Robert Wulnikowski, der ein paar Jährchen an der Wuhle das Tor hütete. Bis auf das miese Wetter gab es hier doch eine recht würdevolle Kulisse für dieses Spiel um Auf- und Abstieg. Der Block der Kickers warf rote Kassenrollen und Hansa ließ die Gesänge bis auf die andere Seite des Mains erschallen. Schon nach drei Minuten hätte man den Jubelschrei auch wahrscheinlich bis nach Nürnberg gehört, aber Ziemer vermasselte eine dicke Kopfballchance.

HansaDas war bereits die beste Hansa-Chance in der ersten Hälfte. Die Spieler wirkten zu müde und zu passiv. So darf man bei einem Aufstiegsaspiranten nicht antreten, obwohl die Kickers bestimmt nicht damit gerechnet haben, zu diesem Zeitpunkt am Tor zur zweiten Liga klopfen zu können. An Hansas Anhang lag es nicht, dass sie ziemlich schnell mit zwei Toren hinten lagen. Soriano schlug gleich zweimal zu. Nach einer Ecke bringt Szapourzadeh den Ball auf Fennell, der ihn akrobatisch in Richtung Tor schießt, wo Soriano goldrichtig steht und nur noch einschieben braucht. Kurz danach hat der Ex-Rostocker Szapourzadeh das 2:0 auf dem Fuß, aber scheitert an Schuhen. Das zweite macht dann wieder Soriano in der 32. Minute mit einem gekonnten Schuss aus der Drehung heraus. Die Kickers klar eine Klasse besser als Hansa. So ging es mit einem für die Kickers-Fans erfreulichen Ergebnis in die Pause.

KickersDie 400 Fans im Kickers-Sektor ließen an ihrem Auftritt erahnen, dass sie noch nicht sehr lange den FC unterstützen. Da fehlte so das eigene, spezielle Lied. Laut waren sie, aber es wirkte etwas blass. Die Wechselgesänge mit den anderen Sektoren, Galatasaray (Lalalala Kickers Würzburg) und das „Macht sie alle, schießt sie von dem Dalle!“ waren so die Highlights neben einem „Steht auf, wenn ihr für Kickers seid!“, bei dem erstaunlicherweise der Mittelsektor der Tribüne wie von der Tarantel gestochen aufsprang. Das gab dem mauen Schauspiel dann doch noch eine coole Note.

HansaIn der zweiten Halbzeit legte Hansas Anhang anfangs die Messlatte noch höher, als ein militärähnlicher Trommelrhythmus, die Spieler aufzuwecken versuchte. Irgendwann passte sich der Fanblock dem sportlichen Treiben an und verharrte in Passivität. Gelegentlich wurden wie in den 90er Jahren irgendwo im Sektor Lieder angestimmt. Spätestens da müsste es auch dem letzten Verfechter der Stimmung jener Zeit klar geworden sein, dass die Stimmungskultur der Ultras doch wesentlich ansprechender ist. Auch die Kickers schalteten einen Gang zurück und das Spiel plätscherte wie der Regen einfach so dahin. Derweil hörte man aus der einen Ecke des Gästeblocks ältere Evergreens gegen den FC St. Pauli. In der ersten Halbzeit lauschten noch viele Einheimische den Gesängen der Gäste und wandten sich vom Spielgeschehen ab, um beäugen zu können, was dort vor sich gehe. In weiten Teilen der zweiten Hälfte mussten sie sich mit dem Rasenspektakel zufrieden geben, aber nur bis zu jenem, diesem einen Moment, als eine kleine Stimmungsecke satirisch auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam machte und damit allen deutschen Möchtegern-Satirikern der Öffentlich-Rechtlichen zeigte, wie echtes Satiriker-Handwerk funktioniert. Die Würzburger Stadionbesucher hatten breite Grinsegesichter und zückten nun wieder die Handys. 

Das erwärmte die Herzen und ließ das Glotzen auf die Uhr mit seinem sich scheinbar viel zu langsam bewegenden Zeiger plötzlich aufhören. Spätestens mit dem Anschlusstreffer durch Ahlschwede in der 78. Minute war wieder richtig Feuer drin. Viele „Ahu!“ ließen die alten Gemäuer erzittern. Hansa drückte nun und erspielte sich vor dem Ende noch mehrere Ecken, bei denen sogar Hansa-Torwart Schuhen in den Strafraum kam und den Fanblock zum Einheizen aufforderte. Am Ende schleppten die Kickers mit schlotternden Knien ein 2:1 über die Zeit. Hätte Hansa den Einsatz der letzten zehn Spielminuten das ganze Spiel über gezeigt, dann wäre hier einiges mehr drin gewesen. Das Stadion leerte sich nun blitzschnell. In jenem Tempo nähern sie sich auch der zweiten Liga. Aue wird kaum noch einzuholen sein, was die Kickers-Verfolger auch so über die Kickers denken werden. 

Fotos: Michael

> zur turus-Fotostrecke: Würzburger Kickers

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

Artikel wurde veröffentlicht am
26 April 2016
Spielergebnis:
2:1
Zuschauerzahl:
8.000
Gästefans
1500

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3 Kommentare
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Kommentare
Es ging um Frauenrechte.
H
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Schöner Bericht, aber im Stadion muss ich dann doch das "satirische Aufmerksammachen" verpasst haben. Vielleicht, weil ich zwischendurch fast eingeschlafen wäre.
Kann der Autor das näher erläutern? Mein Vater saß mit mir auf der Tribüne und weiß es auch nicht.
D
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G
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