Und jährlich grüßt das Hallenturnier: Heute Greifswald

M Updated 14 Januar 2016
Und jährlich grüßt das Hallenturnier: Heute Greifswald

GreifswaldKann sich einer noch an die Hallenmeisterschaft der Bundesligisten erinnern? 36 Profi-Klubs und vier Amateure kämpften um die acht Plätze für die Endrunde in Berlin. Mit „Stars zum Anfassen“ war es dann aber auch irgendwann mal vorbei. Während beim Dschungel-Camp C-, D- und E-Promis die Quoten bringen, so lockten B-Kader das Fußballpublikum nicht mehr so richtig hinter dem Ofen hervor bzw. verleiteten dann zum Umschalten. Heute bleibt ja in der kurzen Winterpause auch keine Zeit mehr für den Schnickschnack. Theoretisch könnte die Bundesliga auch durchspielen, was unter früheren Bedingungen nicht möglich war, wozu ja diese Meisterschaften ausgetragen wurden – als Überbrückung der Winterpause. 

TurnierIm Amateurfußball hat sich der Hallenfußball zu einer nicht mehr wegzudenkenden Größe entwickelt, was auch schon professionell kommerziell ausgeschlachtet wird. Ob Computer-Firma oder Baumarkt – fast jedes regionale Turnier trägt schon einen Sponsor im Namen. Im Fall von Greifswald ist es ein Baumarkt, der überall in Form von Werbeschildern zu lesen ist. Der mit dem Biber ist es übrigens. Vieles erinnert eher an eine Werbeveranstaltung als an ein Turnier mit den höchst spielenden Mannschaften des Kreises. Ein Werbestand am Eingang, Werbung auf dem Programmheft, Werbung im Programmheft – gleich eine ganze Seite, Werbebanden ums Spielfeld, Werbung an der Hallendecke und Werbung an den Wänden und zu guter Letzt wird auch in den ersten drei (!) Spielen eine lange Sponsorenliste vorgelesen. Nur den Hinweis auf das Turnier fiel merkwürdigerweise im Netz kaum auf. Erst auf der Seite des Greifswalder FC wurde ich fündig, nachdem mir der SV 90 Görmin dieses Turnier bereits im November empfohlen hatte. Das Turnier kannte ich vorher gar nicht.

TurnierEin Hallenturnier pro Saison kann man ja besuchen. In der letzten Saison traf es das Turnier in Güstrow (mit BFC Dynamo und Stahl Brandenburg) und in dieser nun Greifswald. Das Fanpotenzial kleinerer Vereine zeigt sich am besten bei wichtigen Spielen oder diesen Hallenturnieren. Für einen Fünfer kann der gemeine Fan auch nicht viel falsch machen. Das dachten sich auch über 500 weitere Zeugen der Veranstaltung. Ganz unspektakulär liest man auf dem Ticket: „Eintritt zu einem Fußballturnier“. Die Farbverteilung war fast symmetrisch. Rechts dominierte das Rot der Görminer, links das Grün der SG Karlsburg/Züssow. Eine schwarze Insel in einer zu einem Grau vermischten bunten Masse bildete der Anhang des Greifswalder SV Puls 1970. Auch auf dem Pulser Banner prangerte übrigens die Werbung eines Lackierers. Was soll das? 

GreifswaldZwei GFC-Shirts konnten gesichtet werden. Der Greifswalder FC spielt um den Aufstieg in die Oberliga mit und die Zuschauerzahlen können sich sehen lassen. Das Wappen wurde später überarbeitet, sodass es nicht mehr kitschig wirkt und auch einige Fanutensilien hat der neue Greifswalder Verein unter die Leute gebracht. Doch heute konnte auch nach Toren kaum GFC-Fans entdeckt werden. Ist etwa der Kategorie-A-Fan nicht mehr nur durch Erfolge zu locken? Zahlenmäßig war es eindrucksvoll, was die Auswärtigen auf die Beine stellten. Görmin brachte über weit über 100 Leute mit und mit Karlsburg/Züssow verhielt es sich ähnlich. Die 300 anderen teilten sich drei Greifswalder Vereine plus zwei aus dem direkten Umland. Schwache Leistung. Was gab es noch? Eine Tombola zwang auch die Unterstützer bereits ausgeschiedener Mannschaften noch zum Verweilen. Unter das Volk wurden Gutscheine, Tickets und ein Flachbildfernseher gebracht. Erst danach folgten die Finalspiele. 

In der Pause nach der Vorrunde gab es sogar lateinamerikanische Tänze zu bestaunen. Erst neulich beim Hansa-Spiel in Stralsund, als in der Halbzeitpause irgendwelche Motorräder über die Bahn gejagt wurden, dachte ich bei mir, dass die Anhänger von Publikumsmagneten doch so einiges an Unterhaltungs-Klimbim aushalten müssen. Ich will nicht wissen, wie oft sich schon Allesfahrer von Borussia Dortmund oder Werder irgendwelche Cheerleader-Tänze bei Testspielen antun mussten.

turusFußball wurde auch gespielt. Es gab vier Vorrunden mit insgesamt 24 Mannschaften. Es qualifizierten sich fast alle auf Landesebene spielenden Mannschaften. Nur Wolgast schied vorher aus. Am Vortag brach sich auch ein Spieler des GSV Puls bei einem Unfall auf dem Parkett einen Lendenwirbel, was ein Argument für die ist, die Hallenturniere als unnütz und gefährlich einschätzen. Torgelow und Anklam meldeten beispielsweise erst gar nicht. Nun jetzt aber wirklich zum sportlichen Teil. Von der Tribüne aus verfolge ich das Auflaufen der Mannschaften. Dabei entrollen die Fans des SV 90 Görmin eine Blockfahne und zeigen ein Transparent mit der Aufschrift „Titelträger“. Foto: leider Fehlanzeige. Passiert. 

Auf der Tribüne ist man ziemlich eng zusammengerückt. Erstaunlich, dass diese Turniere, die ja jede Saison ähnlich bestückt sind, dennoch immer wieder so gut angenommen werden. Fehlen die Alternativen? Oder will man einfach mal unter Leute kommen? Ist es etwa wie an Weihnachten, wenn sich alle zusammen einmal im Jahr treffen? Hallenturniere sind eine Alternative zum Rasensport. Hier wird mit der Bande gespielt, hier darf ein fliegender Torwart Ausflüge übers Feld machen und Kleine haben die Chance, die Großen zu ärgern. Zum Beispiel schlägt im ersten Spiel die eigene Zweite die Erste des Greifswalder FC mit 1:0. Stimmung gibt es gar nicht. Nur im letzten Spiel geht das Publikum mit, als der GSV Puls in den letzten zwei Minuten noch Hoffnung auf Sieg und Halbfinaleinzug bekommt. Am Ende kommt der GFC durch Schützenhilfe der Zweiten weiter. In der B-Gruppe sorgt der Anhang des SV 90 Görmin für Fußballatmosphäre. Das Liedgut kommt von Hansa und geht sogar bis in die DDR-Zeit zurück, als sich ein verletzter Spieler am Boden krümmt und von Görmin ein „Bum, bum, bum. Der Tod geht um. Wieder einer tot vom Konsumbrot.“ zu hören ist. 

turusPraktisch als Alleinunterhalter ziehen sie bis zum Ende durch. Ohne Görmin wäre es sehr viel ruhiger gewesen und so dankte der Hallensprecher nach der Siegerehrung noch einmal ausdrücklich den Görminern für die Bereicherung dieses Turniers. Züssow glänzt nur durch Masse und der Rest – Blau-Weiß Greifswald und Sturmvogel Lubmin - ist nicht der Rede wert. Blau-Weiß gegen Züssow ist dann das vorzeitige Endspiel für die beiden um den Finalrundeneinzug. Es geht hektisch zu. Es wird gezerrt und gemeckert. In Berlin wäre es praktisch eine Lunte für Rudelbildungen und Tätlichkeiten, die man gelegentlich sogar noch bei Landesliga-Turnieren erleben kann. Hier gibt man sich nach dem Spiel friedlich die Hand. 

Das Turnier kommt trotz der hohen Zuschauerzahl komplett ohne Ordner aus, wo man hier in der Gegend teilweise bei Verbandsligaspielen auch als offensichtlicher Neutraler von grimmigen Stiernacken genauestens gefilzt wird. Görmin fliegt dann, nachdem sie erst mit viel Glück weiterkamen, gegen GFC II raus. Züssow ist schon draußen. Normalerweise lichtet sich das Publikum dann mit dem Ausscheiden. Vielleicht war es hier die Tombola. Mit dem Schlusspfiff des Turniers, das Blau-Weiß Greifswald gewann (im Finale 3:0 gegen GFC II), begann die Völkerwanderung und die Ränge leerten sich blitzschnell. Nur Görmin blieb stehen und sang bis das Licht ausgeknipst wurde.

Der letzte Satz des Hallensprechers: „Kommt gut nach Hause und ab Montag könnt ihr euch die Karten für das 39. Neujahrsturnier sichern.“. Da braucht man keinen Hellseher zu befragen, denn auch für 2017 ist ein volles Haus und die Großen sind als Teilnehmer zu erwarten.

Text & Fotos: Michael

> zur turus-Fotostrecke: Hallenfußball

Artikel wurde veröffentlicht am
04 Januar 2016
Zuschauerzahl:
550

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Top! Sehr guter Bericht! Mehr davon bitte!
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