Zehn Jahre nachdem Red Bull den Traditionsverein Austria Salzburg in eine Produkt-Vermarktungsplattform umwandelte, war es nun soweit. Endlich stand das lang ersehnte Aufeinandertreffen zwischen dem SK Rapid Wien und dem neugegründeten SV Austria Salzburg und damit verbunden auch das Duell zwei der besten Fanszenen der Alpenrepublik auf dem Spielplan. Mehr als 2.000 Salzburger reisten an diesem Mittwoch zum Achtelfinale des ÖFB Pokals ins Prater-Oval. Der Auswärtsblock wurde geschlossen geentert und just als die Salzburger den Gästeblock betraten, brannten auch schon die ersten Freudenfeuer im Sektor. Die Vorfreude auf beiden Seiten auf dieses Match war riesig. Das Verhältnis beider Kurven zueinander würde ich als eine Mischung aus tiefer Abneigung und Respekt betiteln.
SK Rapid Wien vs. SV Austria Salzburg: Lang ersehntes Wiedersehen der Erzrivalen
HotAls der Vorsänger der Salzburger Ultras im Mai 2013 eine Lungenembolie erlitt, gab es von Seiten der Ultras Rapid ein aufrichtiges Genesungs-Spruchband. Und auch am heutigen Abend wechselten sich auf beiden Seiten Verunglimpfungen mit Solidaritätsbekunden ab, beispielsweise als Block West und Curva Viola gemeinsam lautstark über den Beruf der Mutter von Herrn Matteschitz spekulierten.
Ein weiterer Beweis dafür war auch ein Spruchband der Ultras Rapid, auf welchem man lesen konnte: „Endlich seids es Beidln wieder da / In Salzburg nur die Austria“. Den Menschen, die der österreichischen Mundart nicht mächtig sind, sei an dieser Stelle gesagt, dass „Beidln“ eine abschätzige Bezeichnung für männliche Geschlechtsorgane ist. Gefolgt wurde dieses Spruchband von einem weiteren Transparent mit der Aufschrift „Doch trotz aller Anerkennung die ihr habt bleibt euch uns Hass nicht erspart“. In diesem Sinne gab es zum Anpfiff auch die Pyroshow der Rapid Fans zu bewundern. Hinter einem schwarzen Transparent auf dem mit durchsichtigen Buchstaben „Soizburga Oaschlecha“ stand wurden zahlreiche rote Bengalen gezündet.
Auch die Burschen aus Salzburg Lehen ließen sich nicht lumpen und erschienen geschlossen in weißen Überzieh-Leibchen im Gästeblock. Bei Anpfiff wurden zudem violette Zettel in den Wiener Abendhimmel gereckt, diese Zettel wurden abwechselnd vom ganzen Block immer wieder gesenkt und neu hochgehoben, wobei sich der Gästeblock abwechselnd in die einzigen Farben Salzburgs färbte - Weiß & Violett.
Auf dem Spielfeld machte sich der Klassenunterschied sehr schnell deutlich und durch einen Doppelschlag in Minute Acht und Zehn führten die Hütteldorfer schnell mit 2:0. Die Austria war merklich nervös und überfordert. Rapid hätte auch zur Halbzeit schon mit 5:0 führen können, letztlich ging es aber „nur“ mit einem 2:0 in die Katakomben des Happel Stadions.
Zum Beginn des zweiten Durchgangs präsentierten die Gäste, welche von den Freunden aus Udine, Saarbrücken und Barletta unterstützt wurden, ein Transparent mit dem Wortlaut „Pleite aber trotzdem geil“. Kurz darauf tunkten zahlreiche Fackeln den Gästesektor in rotes Licht. Auch Rapid sparte im gesamten Spiel nicht an Pyrotechnik und so brannten während des gesamten Spiels dauernd Fackeln an allen Enden im Rapid Sektor. Auf dem Spielfeld machte sich der Klassenunterschied weiterhin bemerkbar und so hieß es am Ende vollkommen verdient 5:1 für die Wiener.
Auch die Posse um die aktuelle Stadionsituation rund um die Mozartstädter wurde vom Hütteldorfer Anhang aufgegriffen. „Behörden und Politik: Traditionsvereine und deren Fans zu schikanieren / Ist euer Weg um unseren Fußball zu ruinieren!“ Großer Applaus daraufhin aus dem Block der Salzburger und dem übrigen Stadion. Pünktlich zur Rapid Viertelstunde wurde das mittlerweile obligatorische WESTSTADION Transparent entrollt. Das neue Stadion der Hütteldorfer wird den Namen einer großen deutschen Versicherung tragen, dass dies nicht unbedingt auf große Gegenliebe stößt, wird wohl jedem klar sein. Die Fans fordern mit diesem Transparent dazu auf das Stadion nach Ablauf des Sponsorenvertrags wieder auf Weststadion zurück zu benennen. Um diesen Wunsch noch zu verdeutlichen, erstrahlten rund um das riesige Transparent viele grüne Bengalen. Auch von den Fans der Salzburger Austria gab es ein unterstützendes Spruchband.
Alles in allem war dieses Spiel ein denkwürdiger Fußballabend der einmal mehr verdeutlicht, dass sich die Begeisterung für diesen Sport eben nicht nur über den reinen sportlichen Erfolg, sondern über Identifikation und Leidenschaft definiert. Dieser Abend zeigt im Umkehrschluss aber auch abermals die extreme Macht von Investoren und Behörden auf. Dieser Abend zeigt, dass diese Institutionen die größte Gefahr sind, wenn es darum geht Fußball davor zu bewahren vom Spiel für dich und mich in ein seelenloses Unterhaltungsprodukt gewandelt zu werden.
Eins habe ich am Beispiel der Anhänger von Austria Salzburg auch gelernt, nämlich dass es nicht reicht nur gegen Red Bull zu protestieren, sondern dass man wie diese Jungs aktiv werden muss und selbst dazu beitragen muss einen Gegenentwurf zu gestalten.
Fotos: Los Misenas, Tim Seidenberg
Benutzer-Kommentare
du hast wirklich alles gut auf den Punkt gebracht.
Vielen Dank für diesen Bericht!!!