1. FC Magdeburg vs. Hallescher FC: Christian Beck sorgt für blau-weiße Ekstase

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FCMEine gute Nachricht mal gleich vorweg: Magdeburg blieb vom angekündigten Gewitter verschont! Allerdings kam es auch ohne des Wetters Hilfe zu etlichen Entladungen beim Drittligaduell 1. FC Magdeburg - Hallescher FC. Viel wurde im Vorfeld dieser Saison über die 3. Liga gesprochen. Sie sei die interessanteste und brisanteste Liga, vermuteten nicht wenige. Der „Wilde Osten“ hat nun quasi eine eigene Liga. Acht Vertreter aus der Region Nordost, allesamt einst in der DDR-Oberliga vertreten, sorgen für Furore. Nachdem diese 3. Liga viel Vorschusslorbeeren zugesprochen bekam, hält sie wahrlich, was sie verspricht. Das wurde bereits beim Auftaktspiel zwischen den Magdeburgern und dem FC Rot-Weiß Erfurt deutlich. Für Rock´n Roll sowohl auf den Rängen als auch auf dem Rasen sorgte zuletzt am Donnerstagabend die Partie SG Dynamo Dresden vs. FC Rot-Weiß Erfurt. Nachdem gestern mit FC Energie Cottbus vs. Chemnitzer FC (0:1) ein weiteres Nordostduell folgte, kam es am heutigen Nachmittag zum Wiedersehen zwischen dem 1. FCM und dem HFC.

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HFCZuletzt waren sich die beiden arg verfeindeten Rivalen im Halbfinale des Landespokals begegnet. Nach einem 0:0 nach Verlängerung musste beim Elfmeterschießen der Sieger ermittelt werden. Die Hallenser gewannen dieses, schlugen im Finale den VfL Halle 96 und hatten es in der ersten Runde des DFB-Pokals mit Eintracht Braunschweig zu tun. Trotz guter Leistung ging der HFC als Verlierer (0:1) vom Platz. In Magdeburg sollte es zurück auf die Erfolgsspur gehen. Zudem wollte man den Jungs aus der Börde zeigen, wo der Hammer hängt und wer die sportliche Nummer eins in Sachsen-Anhalt ist. Nach dem Aufstieg der Magdeburger fand dieses Duell seit 1991 das erste Mal im Rahmen des Profifußballs statt. 

FCMKnapp 21.000 Zuschauer strömten ins Stadion. Wieder mussten die Gästefans auf der Sitzplatztribüne hinter dem Tor ihre Plätze einnehmen, wieder blieben der eigentliche Gästeblock und ein Pufferbereich zur Haupttribüne hin komplett frei. Immerhin wurde der Pufferbereich auf der Gegengerade recht minimal gehalten. Über den leeren Stehblock hinweg konnte der eine oder andere direkte Augenkontakt aufgenommen werden. Es brauchte nicht viel Zeit, bis sämtliche Zuschauer auf Betriebstemperatur bei der anfangs überaus schwülen Witterung waren. Als kurz vor Anpfiff das Magdeburger Lied „Wir sind ein Magdeburger Kind“ ertönte, sang scheinbar - den Gästebereich mal ausgenommen - jeder mit. Ein ähnlicher Moment, der für Gänsehaut und feuchte Augen sorgt, als wenn im Rostocker Ostseestadion das „Hansa forever“ angestimmt wird. 

HFCGab es bei der angesprochenen Landespokalpartie im Frühjahr dieses Jahres im Magdeburger Block U eine gigantische Pyroshow, so waren dieses Mal die Gästefans, die letztes Mal auf Rauch und Bengalen verzichteten, an der Reihe. Das große Banner „Hallescher Fußballclub“ wurde hochgehalten. An zirka 30 Stellen leuchtete es rot auf. Ergänzt wurde das Ganze durch hunderte Hochhalter, auf denen Weiß auf Rot „Chemie“ zu lesen war. Der von den Bengalos erzeugte Rauch war im Stadion nicht verzogen, da stand es 1:0 für den Halleschen FC.

OswaeOsawe wurde nach 30 Sekunden von der rechten Seite aus bedient, schon zappelte die Kugel in den Maschen. Kollektives freudiges Ausrasten im Gästebereich. Erste Spielminute beim verhassten Erzrivalen - und schon die Führung. Besser kann ein Fußballspiel aus neutraler Sicht wohl kaum beginnen. Kein Abtasten, gleich in die Vollen. Visier hochgezogen und ab die Post! Apropos. Eine Sonnenbrille wurde vor Freude mal eben in Richtung Magdeburger Gegengerade geworfen. „Hier regiert der HFC!“, ertönte es tausendfach.

HFCMagdeburg zeigte sich unbeeindruckt. Auch Erfurt hatte am ersten Spieltag rasch geführt. Konnte jedoch alles wieder geradegebogen werden. In der sechsten Minute lief Lars Fuchs auf das HFC-Gehäuse zu, doch er wurde erfolgreich abgeblockt. „Vorwärts Magdeburger Jungs!“, schallte es nun von den Rängen. Wie immer stimmte die gesamte Gegengerade mit ein. Unterdessen bat ein HFC-Ultra ein paar ältere Zuschauer, die sich unterhalb des großen hochgehaltenen Banners niedergelassen hatten und ein Zigarettchen schmauchten, freundlich sich umzusetzen. Man wisse ja nie, was noch alles passieren würde. Lächelnd kamen die Angesprochenen der Bitte nach. 

FCMAn einer Eckfahne kam es in der 13. Minute zu Ruppigkeiten. Folge daraus war ein Freistoß für den 1. FCM. Verwertet werden konnte dieser nicht, der Hallesche FC setzte sofort zum Gegenangriff an. Foul, Freistoß für den HFC, die zweite gelbe Karte für Neuzugang Ahmed Razeek (zuvor beim 1. FC Union Berlin). Mit Gelb-Rot musste er den Rasen verlassen. In Unterzahl musste nun der Gastgeber zurecht kommen. Keine gute Ausgangslage bei einem Rückstand. Aufmunterung von den Rängen. „Steht auf, wenn Ihr Magdeburger seid!“ Alles kein Beinbruch, in Magdeburg hatte man schon ganz andere Sachen erlebt. Im Anschluss ertönte ein brachiales „FCM!“ als Wechselgesang von den Rängen. Die Antwort aus dem Gästeblock: „Blau, blau, blau ist die Magdeburger Sau!“

FCMAuf dem Rasen ging es hin und her. In der 25. Minute kam der HFC gefährlich vor das Tor, vier Minuten darauf wollten etliche Fans Elfmeter für den 1. FCM gesehen haben. Und während man zwischendurch die Blicke über die Tribünen kreisen ließ, wurde einem mal wieder klar: An Nachwuchs mangelt es in Magdeburg wahrlich nicht. Sogar Sechsjährige waren auf der Gegengerade voll dabei und zeigten dem Gästeblock, was sie von ihm hielten. Die Mischung stimmt beim 1. FCM. Die Jüngsten neben den Älteren. Passt einfach. Von einem Event-Publikum kann wahrlich nicht gesprochen werden. Und auf dem Rasen? Nach 32 Minuten versuchte es Lars Fuchs mit dem Kopf, doch echte Gefahr resultierte nicht aus dieser Aktion. 

FCMDrei Minuten später lief es besser für die Magdeburger. Nach einem Freistoß der Hausherren kam Christian Beck und konnte aus rund zehn Metern einlochen. Totale Ekstase nun bei den Heimfans. Mehr Torjubel geht einfach nicht. Emotionen am Anschlag. Das muss man sich alles auf der Zunge zergehen lassen. Nach einem Vierteljahrhundert Amateurfußball nun endlich im Profifußball. Das Duell gegen den Erzrivalen. Rückstand nach 30 Sekunden. Unterzahl ab der 15. Minute. Und dann der Ausgleich, erzielt vom Publikumsliebling, der seit Januar 2013 das Trikot des 1. FCM trägt. Nur zu klar, dass ein frenetischer Torjubel immer hübsch anzusehen, doch in Magdeburg scheint alles noch eine Nummer frenetischer. Vom Opa bis zum kleinen Bub. Totaler Ausbruch der Gefühle. Völlig egal, ob Gegengerade oder Block U. Das Magdeburger Publikum wirkt fast wie eine homogene Masse - im positiven Sinne.

FCMJa, erwischt. Wieder wird von einem Heimspiel des 1. FC Magdeburg geschwärmt. Allerdings kann sich das, was sich dort tut, wahrlich hören und sehen lassen. Völlig egal, ob man schon 25 Jahre oder mehr beim Fußball auf Achse war und zig hunderte gute Spiele in zig Stadien gesehen hat - das, was dort derzeit im Magdeburger Stadion abgeht, ist eine echte Hausnummer! Man darf gespannt sein, wie später die Duelle gegen die SG Dynamo Dresden und den F.C. Hansa Rostock über die Bühne gehen werden. Doch zurück zum heutigen Spiel gegen Halle. Bis zur Pause gestaltete sich das Ganze offen. So kam Timo Furuholm in der 39. Minute nicht mehr vor dem FCM-Keeper Jan Glinker an den Ball, ansonsten hätte es klingeln können. Nur zwei Minuten später sorgte Magdeburg nach Hereingabe von rechts für Gefahr. Unmittelbar vor dem Pausenpfiff legte Halle noch einmal ein Schippchen drauf. Dreh- und Angelpunkt nun auf der linken Seite: Sören Bertram, der soeben für Ziegenbein ins Spiel kam.

FCMEtwas geruhsamer ging es im zweiten Spielabschnitt los. In der 48. Minute wurden ein paar blau-weiße Schmuckstücke auf Hallenser Seite ans Netz geknüpft. Auf der Gegenseite wurden bekanntlich die ganzen Beutestücke beim letzten Pokalspiel gegen Halle an eine Leine geknüpft und mitten im Block U abgefackelt. Da war heute nichts mehr vorhanden, um es auf großer Bühne zu präsentieren. Darum ging es ja heute auch nicht. Der Sieg auf dem grünen Rasen sollte her. Und die Magdeburger Mannschaft nahm die Herausforderung an. Nachdem der HFC den FCM-Torwart Glinker zwei-, dreimal ernsthaft geprüft hatte, kam DER Moment für Christian Beck. 78. Minute. Tief aus der eigenen Hälfte spielte Niklas Brandt (vier Minuten zuvor eingewechselt, sein erster Einsatz nach der Herz-OP) den tödlichen Pass auf Beck, dieser eilte im enormen Tempo allein auf den HFC-Keeper Bredlow zu. Gekonnt mit der nötigen Nervenstärke brachte der den Ball im Gehäuse unter. Bitter für Halle. Megaekstase bei Magdeburg. Der Jubelpegel vom Ausgleich wurde noch einmal getoppt. 

HFCDass die Gesichter im Gästebereich lang wurden, liegt klar auf der Hand. Eine trockene Schrippe wurde kurzerhand in Richtung Magdeburger geschleudert. Vom Himmel kamen einzelne Tropfen. „Tod und Hass dem FCM!“, ertönte es. Allerdings wirkte der HFC-Anhang erstaunlicherweise nicht ganz so giftig wie der des FC Rot-Weiß Erfurt am ersten Spieltag. Auch gegen Erfurt lag man 0:1 zurück, am Ende hieß es 2:1. Und so sollte es auch am heutigen Nachmittag bleiben. Fast hätte Nicolas Hebisch kurz vor Schluss sogar noch auf 3:1 erhöht, doch der Ball segelte über den Kasten. Als kurz zuvor Christian Beck ausgewechselt wurde, stand das Stadion und gab den verdienten Applaus. Weitere Möglichkeiten gab es nicht. Abpfiff - die blau-weiße Party konnte beginnen. Am Gästeblock sprangen ein paar Hallenser in den Innenraum und forderten die Mannschaft zum Gespräch. Vor allem Sören Bertram ließ sich viel Zeit und vernahm die Sorgen der zurecht enttäuschten Anhängerschaft. 

HFCWenig später tat sich noch etwas außerhalb der Ränge. Bewegung beim HFC-Anhang. Magdeburger hatten ebenfalls versucht Zwischenzäune / Tore zu öffnen. Ordner und Polizei waren gefordert, allerdings weiß man in Magdeburg, wie man ohne viel TamTam der Lage schnell wieder Herr wird. Am kommenden Freitag reist der 1. FC Magdeburg zur U23 des SV Werder Bremen und man darf gespannt sein, wie viele Fans sich auf den Weg gen Nordseeküste machen werden.

FCMDer Hallesche FC hat es einen Tag später mit dem SV Wehen Wiesbaden zu tun. Der Stand der Dinge in der Tabelle: Dynamo Dresden führt vor dem 1. FC Magdeburg und dem FC Energie Cottbus. Momentan prägt der Osten ganz klar die 3. Liga - auf dem Platz und auf den Rängen. Ob das so bleiben wird, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen, wenn die erste Euphorie in der „geilsten dritten Liga der Welt“ ein Stückweit verflogen ist. Was in Magdeburg als nächstes aus dem Programm steht? Am Dienstag, den 25. August, sind die Himmelblauen des Chemnitzer FC zu Gast. Und ja, wir werden wieder vor Ort sein. 

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Magdeburg

> zur turus-Fotostrecke: Hallescher FC

Artikel wurde veröffentlicht am
17 August 2015
Spielergebnis:
2:1
Zuschauerzahl:
21.000

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Inhalt über Liga
3. Liga

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Der schlafende Riese ist erwacht!
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Schön zu sehen auf dem Photo wie der Fan den Spieler umarmt. Magdeburg ist noch anders. Etwas volksnaher. Bewahrt euch das, Magdeburger! Werdet nicht so wie viele andere Klubs. Scheiß auf ein Premiumprodukt. Fußball ist für die Fans.
G
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Saugeiles Spiel, sehr guter Bericht.
Alle gegen Halle!
R
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Sehr schöner Bericht .. und war schon verdammt geile Stimmung gestern. Bin schon mal gespannt wenn Dynamo oder Hansa ihre Visitenkarte abgeben .. hoffentlich dann auch noch auf der HTT und nicht im Käfig !!!

PS: Hab Dich gestern gesehen bei der Arbeit vor Block 13 ;)
G
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Wer braucht noch Liga 1 &2 bei so einer geilen Liga 3?
G
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