Viel Trubel beim Quasi Derby KS Stilon Gorzów Wielkopolski vs. Kotwica Kołobrzeg

Wer meint, bei einem Erstrundenspiel im polnischen Pokal wie dem gestern Ausgetragenen des gastgebenden Viertligisten KS Stilon Gorzów Wielkopolski gegen den eine Liga höher spielenden Kontrahenten Kotwica Kołobrzeg sagen sich Hase und Igel gute Nacht, der täuscht bisweilen. Die polnische Unterklassigkeit hat oftmals mehr zu bieten als unterdurchschnittliches Fußballniveau und zerfallene, aber Charme sprießende Stadien. Eine der ersten Kostproben dessen nach der Sommerpause bot das gestrige Quasi-Derby in Gorzów (ehemals Landsberg) mit dem Pokalspiel KS Stilon Gorzów Wielkopolski vs. Kotwica Kołobrzeg. 

Kotwica verbindet eine enge Freundschaft zum Erzrivalen Stilons (der Name stammt vom örtlichen Chemiefaserunternehmen Stilon), den Fans des Speedwayvereins Stal Gorzów. Bereits eine Stunde vor Spielbeginn  sollten laut offizieller Darstellung die Stadiontore des alten Runds für die Heimfans schließen. Ein Wieso ist schwer bis gar nicht zu begründen, diese Zustände im unterklassigen polnischen Fußballsport sind jedoch eher trauriger Alltag. Viele versuchten daher, über die Zäune ins Innere zu gelangen, was schlussendlich die Sicherheitskräfte auf den Plan rief und Auseinandersetzungen inklusive fliegender Gitter und Dixie-Klos zur Folge hatte. Geschlossen solidarisierte sich die vermummte Stilon-Jugend und erzwang trotz des hohen Polizeiaufkommens (auch eine Anti-Terror Einheit war zugegen) ein abermaliges Öffnen der Stadiontore, sodass zum verspäteten Beginn des Spiels eine angemessene Fußballatmosphäre zu vernehmen war. 

Die aktive Szene versammelte sich wie gewohnt auf der Gegengerade zusammen mit angereisten Freunden von Chrobry Głogów und feuerte ihr Team aus einem Kern von über 250 Leuten mit kurzen, lautstarken Gesängen an. Diese knackigen Szenerien sind in Polen seltener geworden, vor allem in Verbindung mit den Sicherheitsverschärfungen im Zuge der EM 2012. Die etwas mehr als 100 Gäste, angereist mit zwei Bussen samt  hoher zweistelliger Anzahl Stal Gorzow Fans, enterten dennoch erst Mitte der ersten Halbzeit das Stadion, wobei Stilon bereits mit zwei Treffern in Front lag. Nun bestimmten die gegenseitigen Hasstiraden das Geschehen. 

Die zweite Halbzeit wurde mit einem brennenden Fanutensilien-Teppich auf Seiten Stilons gestartet. Dieser beinhaltete unzählige gestohlene Schals und Shirts des Speedway Stadtrivalens Stal Gorzow. Eine schallende Ohrfeige für die Mannen im Gästeblock, die zudem mit einer großen Zaunfahne präsent waren. Kotwica kam im zweiten Abschnitt begleitet von Anfeuerungen aus dem Gästesektor besser in das Spiel, trat druckvoll auf, sodass in der 87. Minute tatsächlich das 2:2 erzielt werden konnte. Der über das gesamte Spiel laute Heimsektor verstummte kurzzeitig. Die Polizei bereitete sich bereits auf einen sicheren Abtransport der Gästekibice vor und nun stand doch noch eine Verlängerung vor der Tür? Falsch gedacht.

Auch sportlich hatte das Aufeinandertreffen einiges zu bieten. Gefühlt im Gegenzug konterte Stilon und erzielte durch den zweifachen Torschützen Ziajka den 3:2-Endstand. Daraufhin sprangen zwei tollkühne Stilon-Kibice über den Zaun und versuchten, an die mitgebrachte Zaunfahne der Gäste aus Kołobrzeg zu kommen. Die Stimmung erhitzte sich, der Pufferblock wurde geentert. Der aufgefahrene Wasserwerfer der Old-School Fraktion musste die Gemüter jedoch schlussendlich nicht abkühlen, da die in ausreichender Anzahl anwesenden Sicherheitskräfte die Lager schnell beruhigen konnten.  Fußballatmosphäre in Polen aus dem Bilderbuch. 

Stilon empfängt somit bereits am nächsten Wochenende Stal Stalowa Wola zur zweiten Runde des Puchar Polski. Die Kicker aus der Küstenstadt Kołobrzeg traten hingegen begleitet von einem Polizeibus geknickt die Heimreise an.

Fotos: Eric K.

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