Heiß war es am Wochenende in Oberschlesien, dem polnischen Kohlenpott. Bei Temperaturen von weit über 30 Grad im Schatten kam nicht nur die gemeine polnische Arbeiterschaft der hiesigen Schwermetallfabriken gehörig ins Schwitzen. Der letzte Spieltag der polnischen 1. Liga (zweithöchste Spielklasse) sowie der 2. Liga (dritthöchste Spielklasse) diente als Anlass, dem berüchtigten polnischen Pendant des deutschen Ruhrgebiets einen Besuch abzustatten. Dabei standen die Traditionsvereine GKS Katowice und Zaglebie Sosnowiec im Fokus.
Im Schatten der Hüttenwerke: Ein Fußballabstecher nach Katowice und Sosnowiec
Samstag, 06.06.2015 GKS Katowice – Arka Gdynia
Katowice ist das industrielle Herz der Woiwodschaft Schlesiens. Im Schatten der Hüttenwerke entwickelte sich in den letzten Jahren eine moderne Elektroindustrie, die zum Strukturwandel in der Region beiträgt. Der bekannteste Verein der Stadt ist GKS Katowice, der vor allem vor der Jahrtausendwende auch international vertreten war. Daneben gibt es noch Rozwój Katowice, denen aber keine große Sympathie entgegenschlägt.
Am vergangenen Samstag war im heimischen Stadion an der Bukowa zum Saisonausklang Arka Gdynia zu Gast. Beide Mannschaften befanden sich im sprichwörtlichen Niemandsland der Tabelle. Gepaart mit den heißen Temperaturen fanden sich zu diesen Rahmenbedingungen nur 2000 Zuschauer im Rund ein. Die Gegentribüne als Standort der Aktiven um die Ultras Gieksa, bekannt durch äußerst gelungene Choreos, wies am Samstag große Lücken auf. Zwar hingen große Freundschaftsbanner von Banik Ostrava und Gornik Zabrze, jedoch fehlte es bei Schlachtrufen, an denen sich selten mehr als 250 Supportwillige beteiligten, an der Durchschlagskraft. Da herrschte zum Stadionabschied bei den Freunden in Ostrava eine Woche zuvor, wo Katowice mit zirka 100 Leuten vertreten war, sicherlich eine ganz andere Atmosphäre.
Das Spiel war kongruent dazu. Arka besaß mehr Spielanteile, scheiterte jedoch an Pfosten sowie Keeper Dobroliński, der einen Elfmeter entschärfen konnte. Auf der Haupttribüne vollzog Mitte der zweiten Halbzeit eine dreistellige Anzahl äußerst junger GKS-Fans eine Choreo mit Fahnen und Luftballons, welche von den Ultras angeleitet wurde. Der Kampf um den Nachwuchs ist im Kohlenpott sicherlich eine der schwersten Aufgaben bei der Fülle an Vereinen, die im Ballungsgebiet konkurrieren.
Arka füllte den Gästeblock mit zirka 200 Fans, die geschlossen im Konvoi das Stadion erreichten. Die Freunde um Cracovia Krakau hatten Quellen zufolge mit 81 Personen einen großen Anteil. Jedoch beschränkte sich die Unterstützung in der ersten Halbzeit auf wenige Schlachtrufe. In der gleißenden Sonne über dem Katowicer Himmel war dies auch absolut verständlich. In der Halbzeit kam es dann zur kurzen Unruhe im Gästekäfig. Der Ordnungsdienst verbot das Aufhängen der berühmten „Jude-Gang“ Fahne der Krakauer Freunde. Daraufhin sollte der Gästeblock nun geschlossen verlassen werden. Der bereits eben erwähnte, schwer ausgerüstete Ordnungsdienst, zeigte seine Ablehnung zu diesen Plänen mit einer ordentlichen Portion Pfeffer deutlich. Nach wenigen Minuten beruhigte sich die Situation, der Gästeblock verwaiste und die angereisten Gästefans verließen unter Polizeigeleit das Geschehen vorzeitig. Sie verpassten nichts, beide Mannschaften trennten sich mit einem torlosen Unentschieden. Erich Maria Remarques Roman müsste anhand der herrschenden Zustände nur um Nuancen verändert werden: In Polen nichts Neues.
Sonntag, 07.06.2015 Zaglebie Sosnowiec – Puszcza Niepolomice
Noch heißer als den Tag zuvor begann der Vormittag in Sosnowiec, welches ganze zehn Kilometer östlich von Katowice gelegen ist. Auf dem örtlichen Stadtfest wurde der Geburtstag der ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt gefeiert. Die örtlichen Zaglebie- Kibice nutzten den Trubel ebenfalls, um aus dem Stadtkern mit einem großen Fanmarsch zum Stadion Ludowy die Aufstiegsparty einzuläuten.
Aufstieg? Richtig, Zaglebie ging als Tabellenführer mit drei Punkten Vorsprung auf Relegationsplatz 4 in den letzten Spieltag gegen Niepolomice, wobei ganze sieben Teams rechnerisch noch um den Aufstieg in die 1. Liga (zweithöchste Spielklasse) wetteiferten. Das Ziel war angepeilt, die Atmosphäre erstklassig. Bereits am Vortag wurde von offizieller Seite „Ausverkauft“ gemeldet. Die 4950 zahlenden Zuschauer, überwiegend allesamt in weiß, peitschten schon vor dem Anpfiff mit brachialen Wechselgesängen ihre Mannschaft nach vorne. Sosnowiec strahlte eine besondere Atmosphäre aus. Das Stadion versprühte den Charme des bodenständigen, rauen Fußballs. Kantige Gestalten bevölkerten die Steinstufen des Stadion Ludowy, im Hintergrund stiegen die Silhouetten der zahlreichen Plattenbauten der Arbeiterviertel hervor.
Fußball ist seiner urtypischen Form, wie ihn der geneigte Fan präferiert. Doch auch Sosnowiec landete in der Vergangenheit unrühmlich in den Schlagzeilen. 2008 wurde der Verein aufgrund der Beteiligung an einer Korruptionsaffäre vom Verband zum Zwangsabstieg aus der ersten in die dritte Liga verurteilt. Umso Mehr lechzen die Fans nun nach einem Aufstieg. Unterstützung auf den Rängen erhielt man dazu von befreundeten Fans aus Warschau (Legia), Olympia Elblag und BKS STAL Bielsko-Biala.
Wer nun glaubte, dass sich wie auf den Rängen auch auf dem Rasen ein Feuerwerk entfachte, der sah sich getäuscht. Der gespielte Fußball ließ jegliche Qualität vermissen. Richtig gute Chancen waren auf beiden Seiten nicht auszumachen. Umso mehr schweifte der Blick durch das Rund. Mitte der zweiten Halbzeit wurde dann auf der Gegengerade eine riesige Blockfahne mit den Lettern ZAGLEBIE hochgezogen und umrahmt von Bengalfeuern präsentiert. Die Zaunfahne darunter verdeutlichte die Nachricht der Fans: „So lange in der zweiten Liga, wir haben überlebt.“ Und wie! Nach dem Herunterlassen versank die Gegengerade in einem Meer aus Bengalen und massivstem schwarzen Rauch, sodass das Spiel kurzzeitig unterbrochen werden musste. Heute feierte man nicht schwache Tagesleistung, sondern die starke Saison und die unbändige Hingabeder Fans zu Zaglebie. Auch auf der Haupttribüne schallten die Schlachtrufe. Kurzum, es waren geniale Szenen. Auf dem Rasen passierte nichts mehr, sodass Zaglebie am Ende den Aufstieg feiern konnte. Zwar nicht als Staffelmeister, da Kluczbork den Titel errang, dennoch war die Freude groß!
Sieben Jahren dritte Liga haben ein Ende. Somit wird es in der nächsten Saison auch zum Aufeinandertreffen mit GKS Katowice kommen – packende Duelle sind somit vorprogrammiert.
Fotos: Lucas Ba.
> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Polen
Benutzer-Kommentare
grüße.
Schade das der Autor keine Ergebnisse geschrieben hat.
Weiter so Jungs
Schade wie Katowice abgestürzt ist. Und die beiden Klubs aus Lodz erst mal. Dafür kommt jetzt solch ein künstlich gepimmter Dorfverein ganz hoch.
Gruß Heiko
Sportliche Grüße
Jürgen