Unter bengalischem Schein: Sparta besiegt Slavia im Prager Derby

JP Updated 17 April 2015
Unter bengalischem Schein: Sparta besiegt Slavia im Prager Derby

SlaviaAm Samstag war es wieder soweit: Das Prager Derby lockte knapp 19.000 Zuschauer, darunter gefühlte 1.000 Gäste aus Deutschland, in die „Goldene Stadt“. Während das Aufeinandertreffen zwischen Sparta und Slavia nach der Jahrtausendwende meist wenig spektakulär war, haben die Duelle in der jüngeren Vergangenheit wieder an Attraktivität gewonnen, nicht zuletzt durch Choreographien und dem Einsatz von Pyrotechnik, und sind seit einigen Jahren wieder Pflichttermine für jeden erlebnisorientierten Groundhopper. 

SlaviaWährend das Duell auf den Rängen zuletzt stets recht ausgeglichen war, in Sachen Kreativität mit Vorteilen für Slavia, war sportlich Sparta meist siegreich. Die letzten vier Derbys konnten am Stück gewonnen werden, die letzten drei sogar ohne Gegentor. Und nichts deutete darauf hin, dass dies im 283. Derby anders sein würde. Trotz einem Fünf-Punkte-Rückstand auf Viktoria Pilsen hat Sparta noch Chancen auf die Titelverteidigung, während Slavia zwar nicht mehr die akuten Abstiegsängste der Vorsaison hat, als die Rettung erst am letzten Spieltag gelang, aber trotz zahlreicher hochkarätiger Neuzugänge im hinteren Mittelfeld festhängt. 

SlaviaDass zwei Tage vor dem Spiel erst 1.200 der 2.000 Gästeblock-Tickets verkauft waren, spricht Bände, selbst wenn der Sektor letztendlich doch gut gefüllt war. Etwa die Hälfte der Slavia-Fans nahmen übrigens wie schon im Vorjahr am Derbymarsch teil, mehrheitlich gekleidet in extra angefertigten weißen „Tribuna Sever“-Shirts. Bei der Ankunft in Letna blieb es aber in jeder Hinsicht ruhig, etwas enttäuschend angesichts der Tatsache, dass die Gäste durch einen Tunnel marschiert kamen, der ihren Gesängen einen mächtigen Schall verliehen hätte. 

spartaWährend das Stadion kurz vor dem Spielbeginn um 19:15 Uhr gut gefüllt war, spielten sich draußen traurige Szenen ab. Dutzende Fans, zahlreiche aus Deutschland, konnten die Drehkreuze nicht passieren. Obwohl das Stadion 18 Minuten nach dem Start des Vorverkaufs für Nichtmitglieder ausverkauft war, waren etliche Zuschauer ohne Eintrittskarte angereist, in der Hoffnung, auf dem Schwarzmarkt ein Ticket zu ergattern. Während der Preis regulär bei 250 Tschechischen Kronen (etwa 9 Euro) lag, wurden die begehrten Billets vor den Toren für bis zu 700 Kronen gehandelt, und dennoch konnten nicht alle Interessenten bedient werden. Bitter für die draußen Gebliebenen war sicherlich, dass aus Sicherheitsgründen etwa 2.200 Plätze leer bleiben mussten. 

spartaDrinnen wiederum zeigten die Sparta-Anhänger eine schöne Choreografie. Ein Wappen mit dem Gründungsjahr Spartas 1893 wurde zusammen mit einem durchgestrichenen Slavia-Symbol und einem Wolfskopf gezeigt. Das dazu gehörige Spruchband, sinnbildlich übersetzt mit „Dem Wolf ist es egal, was das Schaf denkt“, wurde aus für Außenstehende nicht nachvollziehbaren Gründen schon eine halbe Stunde vorher gezeigt und zerstört. Dennoch war das Gesamtbild, welches von einer etwa zwanzig Meter langen „Hooligans“-Fahne abgerundet wurde, sehenswert, während Slavias Anänger bis dahin nur akustisch auf sich aufmerksam gemacht hatten.

Das Spiel begann mit einem echten Paukenschlag. Erst 3 Minuten und 41 Sekunden waren gespielt, bis das erste Tor fiel. Zur Überraschung wohl aller Zuschauer war Underdog Slavia besser aus der Kabine gekommen und ging mit seiner zweiten Chance durch Milan Skoda in Führung. Die Fans im Gästeblock rasteten vor Freude schier aus, und die ersten bengalischen Lichter erhellten die Kurve. Im Sparta-Block dagegen wurde der erste Slavia-Schal verbrannt. Beide Schauspiele sollten sich im weiteren Spielverlauf mehrfach wiederholen. Spartas Anhänger zeigten in der 12. Minute eine Zettelchoreographie über die gesamte Breite der Gegengerade, die auch der Mannschaft des Gastgebers Beine machte. 

spartaSparta war fortan die bessere Mannschaft, wenngleich Slavia im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit stets durch Konter gefährlich war und sogar die besseren Torchancen hatte. Auf den Rängen dominierte der Gast. Zwar zeigten sich Spartas Anhänger im Vergleich zum letzten Heimderby verbessert, da man weniger auf Vielfalt setzte und stattdessen auf brachiale Dauergesänge. Slavia allerdings war von der Führung beflügelt und supportete sich in einen Rausch, und nach einer halben Stunde brannten abermals bengalische Feuer. Selbiges wollte Sparta aber offenbar nicht auf sich sitzen lassen, denn in der 35. Spielminute wurden im Oberrang des heimischen Ultra-Sektors gleich 13 Fackeln präsentiert. Ein schönes, derbywürdiges Bild!

spartaIn der Halbzeitpause konnten sich die Zuschauer bei einem kurzen Bierchen abkühlen und schon jetzt nickten alle Befragten wohlwollend und sprachen von einem bisher guten Derby. Der Gerstensaft war selbstverständlich, wie es sich für ein Sicherheitsspiel dieser Kategorie offenbar mittlerweile gehört, alkoholfrei und mit 35 Kronen für 0,4 Liter für tschechische Verhältnisse auch nicht billig. Positiv zu erwähnen ist übrigens, dass Sparta auf ein Halbzeitprogramm mit endloser Werbung verzichtete. Stattdessen wurde auf der Anzeigetafel ein Spot ausgestrahlt, in dem Sparta einige der Strafen aufführte, die der Verein aufgrund rassistischen Verhaltens seiner Anhänger ausgesprochen bekam.  Dass wenig später „Jude Slavije“ durch die Kehlen Tausender erschallte, gehörte allerdings zur Folklore dieses Derbys, ebenso wie (vereinzelte) Affengeräusche aus dem Slavia-Block bei Ballberührungen dunkelhäutiger Sparta-Kicker. 

derbyNach dem Seitenwechsel wurde der Rekordmeister – Sparta gewann zwölf tschechische und zwanzig tschechoslowakische Titel – immer spielbestimmender. Slavia hatte den Weinroten nicht mehr viel entgegenzusetzen und der Ausgleich war nur noch eine Frage der Zeit. Im Fanblock der Spartaner wurde derweil ein Transparent entrollt, was darauf anspielte, dass die Fans beider Vereine aus Prag-Vrsovice, Slavia und Bohemians, beide gern bei der Polizei plaudern. Wenig später wurden 18 weitere Bengalos entzündet. Der Pyro-Punkt des 283. Derbys ging somit eindeutig an Sparta. Während dieser Leuchtfeuereinlage fing übrigens das eben erwähnte Spruchband Feuer, ebenso wie wohl die große „Hooligans“-Fahne, beide wurden wenig später vom Zaun genommen. In der 66. Minute fiel das vielumjubelte 1:1. David Lafata war erfolgreich, und während nun das komplette Stadion – außer dem Gästeblock natürlich – tobte, versuchte Slavia kurzzeitig, das Spiel wieder an sich zu reißen, war den Hausherren aber schon wenig später wieder in allen Belangen unterlegen. 

spartaDie Rot-Weißen hatten nun arge Schwierigkeiten, den Punkt über die Zeit zu retten. Es schien ihnen jedoch zu gelingen, bis die 89. Minute kam. Abwehrspieler Jakub Brabec hatte sich mit nach vorn gewagt und ließ das Stadion in seinen Grundfesten wackeln. Die 2.000 Slavia-Anhänger dagegen sackten innerlich zusammen und erstarrten fortan in Lethargie, in der Nachspielzeit gab es nur noch vereinzelte Anfeuerungsrufe aus wenigen Kehlen. Sparta war nun natürlich obenauf und feierte den Derbysieg, der unterm Strich vollkommen verdient war. Trotz der frühen Gäste-Führung und einigen gefährlichen Slavia-Chancen war der Meister insgesamt die klar bessere Mannschaft, welche sich weiter berechtigte Hoffnung auf die Titelverteidigung machen darf. Schließlich kommt der derzeitige Klassenprimus Pilsen noch nach Letna. 

slaviaSlavia dagegen muss in der Tabelle weiter nach unten schauen, wenngleich sieben Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge genug sein sollten, um den dritten Abstieg der Vereinsgeschichte zu verhindern. Von seinen Fans wurde das unterlegene Team aufgrund des unerwartet guten Auftritts dennoch gefeiert, während die Sparta-Elf ihre traditionelle Ehrenrunde drehte und Kult-Masseur Tomas Stransky den Massen wie nach jedem Sieg einheizte. Die zahlreichen deutschen Derby-Pilgerer machten sich derweil auf den Heimweg, in der Gewissheit, dass sich die Reise zum Prager Derby wieder vollends gelohnt hat. Spätestens im Herbst zur 284. Auflage von Sparta gegen Slavia werden sie wieder hier sein.

Fotos: Jörg Pochert (zu seiner Fotoseite: Captain Klobasa auf flickr.com)

> zur turus-Fotostrecke: AC Sparta Praha

> zur turus-Fotostrecke: SK Slavia Praha

Artikel wurde veröffentlicht am
13 April 2015
Spielergebnis:
2:1
Zuschauerzahl:
18.700
Gästefans
2000

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Jut jemacht, Jörg! Seh´n uns in der Tschechei!
L
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G
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Saugeiles Ding! Bin jedes Jahr dort. Mein Spiel der Spiele, auch wenn andere Derbys bestimmt mehr zu bieten haben. Trotzdem, ich liebe es.
D
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G
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