Espanyol vs. Atlético: Stimmungsvolles Remis im Duell der „Kleinen Brüder“

JP Updated 23 März 2015
Espanyol vs. Atlético: Stimmungsvolles Remis im Duell der „Kleinen Brüder“

AtleticoWenn in der spanischen Primera Division Espanyol Barcelona und Atlético Madrid aufeinandertreffen, dann klingt das zunächst nach einer Mini-Version des ewigen Klassikers FC Barcelona gegen Real Madrid. Doch es ist weitaus mehr: Auch die beiden „kleinen Brüder“ haben eine Menge zu bieten: Gastgeber Espanyol ist immerhin viermaliger Gewinner der Copa del Rey, zweimaliger UEFA-Cup-Finalist und Intertoto-Cup-Sieger 1968. Atletico Madrid dagegen gewann gar je zehnmal Meisterschaft und Pokal, zudem stehen drei Triumphe im Europapokal und der Weltpokal 1974 auf der Ehrentafel der Colchoneros.

EspanyolDa Atletico am Samstag sogar als amtierender Meister anreiste, durften sich die Espanyol-Fans also auf einen der Saisonhöhepunkte freuen. Selbst wenn der vom FC Bayern München gekommene Mario Mandzukic ausfiel, standen mit Torres, Griezmann, Raul Garcia, Juanfran und Jimenez immer noch zahlreiche internationale Stars im Kader der Hauptstädter. Dass dieses Starensemble am vergangenen Samstag nur 22.538 Zuschauer - darunter etwa 700 Hauptstädter im Fanblock und weitere Sympathisanten verteilt im ganzen Rund - anlockte, überraschte am Ende negativ, wenngleich ansonsten sogar nur etwa 17.000 Unentwegte ins hochmoderne Stadion nach Cornella vor die Tore der Stadt pilgern.

EspanyolDoch diese Zahlen spiegeln nur einen seit Jahren anhaltenden Trend in der „Besten Liga der Welt“ wider. Selbst die Gastspiele der „Großen Zwei“ sind oft nicht mehr ausverkauft, beim FC Barcelona war es während der laufenden Saison sogar noch kein einziges Heimspiel. Die Tickets sind schlichtweg zu teuer. Sogar bei einem Club wie Espanyol, in dessen Stadion im Durchschnitt mehr als die Hälfte aller Plätze frei bleiben, ist kein Ticket unter 40 Euro zu haben. Experten prognostizieren „La Liga“ seit langem einen schleichenden Verfall. Dieser hat längst eingesetzt, nur Barca und Real schönen die Gesamtstatistik mit einem Schnitt von mehr als 70.000 Besuchern.

EspanyolInsgesamt kommen aber nur noch gut 27.000 Besucher zu den Spielen Spaniens höchster Liga, ohne die beiden Top-Teams sind es gar nur 22.000. Zum Vergleich: Zu einer deutschen Bundesligapartie erscheinen durchschnittlich 42.800 Fans. Doch zum heutigen Spiel: Während das Aufeinandertreffen beider Teams vor zwanzig Jahren noch für einen hohen rechtsextremen Publikumsanteil und Hakenkreuzfahnen (die in Spanien nicht verboten sind) auf den Traversen gesorgt hätte, dominieren heute nur die Vereinsfarben. Die Mitglieder der Brigada Blanquiazules (Espanyol) sind zwar teilweise noch im Stadion zugegen, haben sich aber darauf geeinigt, auf sämtliche politische Symbolik zu verzichten. Die Frente Atletico dagegen wurde kürzlich mit einem Erscheinungsverbot belegt, nachdem durch Gruppenmitglieder ein gegnerischer Fan der Riazor Blues (Deportivo La Coruna) ermordet wurde.

espanyolHeute stellen Familien einen Großteil der Stadionbesucher. Wie schon beschrieben, können sich viele Fans den Stadionbesuch nicht mehr leisten. Oder sie wollen es nicht mehr. Die Stadionverpflegung trägt sicherlich auch nicht dazu bei, alte Fans wieder zurückzugewinnen. Das einzige Essen, welches es im Stadioninneren käuflich zu erwerben gibt, ist Popcorn. Schöne neue Fußballwelt. Das Spiel sieht in der Anfangsphase die favorisierten Madrilenen vorn. Besonders der nicht nur aufgrund seiner Frisur auffällige Griezmann wirbelt die Espanyol-Abwehr manchmal durcheinander, bleibt aber wirkungslos, nicht zuletzt dank zahlreicher Fouls. Es ist ein hartes Spiel. Ein schnelles zwar, aber Fußball-Ästheten kommen heute nicht auf ihre Kosten. Schiedsrichter Garrido bekommt die übermäßige Härte auch mit zahlreichen gelben Karten nicht in den Griff.

spanienAm Ende werden es derer sieben sein, zudem muss Atletico die komplette zweite Halbzeit in Unterzahl bestreiten, denn unmittelbar vor der Pause sieht Miranda wegen eines überharten Foulspiels zurecht glatt Rot. Spätestens jetzt ist das Spiel gekippt. Die aufopferungsvollen Gastgeber waren ab Mitte der ersten Halbzeit mutiger geworden, ohne sich die ganz klaren Torchancen herauszuspielen. Nach dem Wiederanpfiff ist Espanyol endgültig die bestimmende Mannschaft. Das Spiel wird zerfahrener und hektischer, der Meister kommt den Blau-Weißen meist nur noch mit Härte bei. Einige Angriffe werden aufgrund von Abseitspositionen abgepfiffen, wodurch der Unparteiische den Zorn der Zuschauer auf sich zieht. Diese sind nun endgültig erwacht.

espanyolWährend in der ersten Halbzeit die Madrilenen noch regelmäßig zu hören waren, supporten die Ultras von Espanyol nun noch fanatischer und ziehen auch den Rest des Publikums mit. Es herrscht eine tolle Fußballatmosphäre, die zeigt, dass Spanien fantechnisch noch nicht tot ist. Nicht nur akustisch ist der Fanblock stark, auch optisch, denn Schwenkfahnen und Schals sind nun im Dauereinsatz. Der Siegtreffer für die Hausherren liegt in der Luft, doch er fällt nicht. Im Gegenteil: Fast macht Atletico mit einem der wenigen Entlastungsangriffe den „Big Point“. Doch Torwart Casilla lenkt den Garcia-Schuss in der 78. Minute noch an den Pfosten.

TrainerSchlussendlich bleibt es bei einem für Atletico glücklichen 0:0. Durch den Punktverlust ist die Titelverteidigung für die Hauptstädter in weite Entfernung gerückt. Der Rückstand auf Tabellenführer FC Barcelona beträgt mittlerweile neun Punkte. Für Erfolgscoach Diego Simeone, er wurde im Januar bei der Wahl zum Welttrainer des Jahres Zweiter hinter Jogi Löw, scheint es eine Saison ohne Trophäe zu werden. Aus dem spanischen Pokal ist man bereits ausgeschieden, und in der Champions League steht das Weiterkommen nach der 0:1-Hinspielniederlage in Leverkusen ebenfalls auf hölzernen Füßen. Die katalonischen Fans können sich nach der Mini-Version des Klassikers übrigens auf das „Original“ freuen. Am Sonntag kommt Real Madrid zum FC Barcelona ins Camp Nou, welches dann höchstwahrscheinlich erstmals in der laufenden Saison bei einem Spiel der Primera Division ausverkauft sein wird. Noch allerdings gibt es Eintrittskarten. In den lizensierten Ticketbüros rund um Barcelonas Prachtstraße La Rambla ist die billigste Kategorie aktuell für 155 Euro zu haben.

Fotos: Jörg Pochert

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Spanien

Artikel wurde veröffentlicht am
17 März 2015
Spielergebnis:
0:0
Zuschauerzahl:
22.538
Gästefans
700

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4 Kommentare
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S
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Interessant geschrieben. Muchas gracias, Jörg!
R
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G
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G
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