Evian TG vs. Stade Rennais: Fußball im Schatten von Charlie Hebdo

E Updated 12 Januar 2015
Evian TG vs. Stade Rennais: Fußball im Schatten von Charlie Hebdo

je suis CharlieWir sind Charlie. Eigentlich sollte der Fokus an diesem Wochenende einzig und allein auf dem vermeintlichen französischen Synonym der TSG Hoffenheim - Evian TG FC - liegen. Eigentlich. Einmal mehr zeigte sich jedoch, dass Fußball in der Endbetrachtung doch nur eine an, wenn auch an Wichtigkeit nicht zu überbietende,  Nebensache angesichts des Schreckens auf der Welt ist. An diesem Wochenende insbesondere in Frankreich. ,, Je suis Charlie ” - diese Solidaritätsbekundungen begegnen dem geneigten Fußballfan an diesem zweiten Wochenende im Januar an jeder Ecke. Frankreich taumelt im Sinne eines Boxers, doch das Volk zeigt sich kämpferisch. Sämtliche Medien sind dieser Tage in Dauerberichterstattung, Zehntausende füllen die Straßen hiesiger Städte - für die Freiheit, auch am Spielort in Annecy, Ostfrankreich.

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Dem Terror zum Trotz rollt auch am 20. Spieltag in der französischen Ligue 1 der Ball, auch wenn die Umstände schon am Stadioneingang auf den Bruch mit der Freiheit hindeuten. Der Fußball als mutmaßliche Nebensache bietet eine Plattform für Protest, Anteilnahme und Trauerbewältigung zugleich. Plakate mit der erwähnten Aufschrift Je suis Charlie (Wir sind Charlie) werden in Anlehnung an der Terrorakt unter anderem in der Pariser Redaktion mit insgesamt 17  Toten verteilt. Nahezu jeder der 8011 Zuschauer im Parc des Sports zu Annecy streckt diese in einer ergreifenden Trauerminute empor. Danach rückt der Fokus auf den Sport.

Evian TG FC -alias Hoffenheim Frankreichs ?

Evian TGAm Fuße der französischen Rhone Alpen fusionierte im Jahr 2007 der damalige Verein Football Croix de Savoie 74 mit Olompique Chablais. Der endgültige Name wurde 2008 geändert. Aufgrund finanzieller Unterstützung vom Großkonzern Danone rund um den Wirtschaftsriesen Franck Riboud legte Evian TG FC (Evian als Wassermarke Danones war Namensgeber und Sponsor gleichermaßen) eine beachtliche Performance an der Tag. Innerhalb von vier Jahren gelangen drei Aufstiege mit Endstation Ligue 1. Somit ist ein Vergleich mit dem deutschen Pendant aus Sinsheim durchaus angebracht. Die Begeisterung für diesen Schnellstarter ist in der Alpenregion dennoch nur gering. Vor allem Olympique Lyon bietet den heimischen Fußballfans in und um Annecy deutlich mehr Identifikation. Sind einem diese Zustände nicht aus einer anderen Region bekannt? Selbst das Stadion in Annecy ist nur gemietet, da die offizielle Heimstätte im 45 Kilometer entfernten Gaillard zu wenig Platz bietet. Ein Versuch, auf Schweizer Platte im Genfer Stadion zu spielen, scheiterte an der UEFA.

Der Heimblock bestätigte dann die Erwartungen bzw. Nicht-Erwartungen. Nur 50 aktive Fans probierten, so etwas wie Stimmung im Parc des Sports zu entfachen. Aus dem weit entfernten Rennes kamen die Reiselustigen etwa in gleicher Anzahl in der Gästeblock. gepilgert, zehn von ihnen bereits vor Anpfiff mit nacktem Oberkorper.

Die deutsche Regionalliga lässt grüßen

Stade RennesSollte das Spiel so herzerwärmend sein? Zunächst nicht. Die erste Hälfte ist schnell erzählt. Trotz drückender Überlegenheit der Gäste aus Rennes hieß es zur Halbzeit 0:0. Der Pfosten und der bereits in der ersten Halbzeit groß auftrumpfende Evian Keeper Benjamin Leroy sorgen für genannten Zwischenstand. Derweil hält sich der lichte Gästeblock mit einer kleinen Polonaise warm, der Heimblock unterdessen schubst sich ein wenig zu heftig, was einen kurzen Ordnerauflauf zur Folge hat. In der deutschen Regionalliga sähe dies nicht anders aus. 

Die grandiose Entwicklung des vermeintlichen Hoffenheim Frankreichs - 2013 sogar Pokalfinalist - scheint in dieser Saison ins Stocken zu geraten. Danone ist seit einem halben Jahr offiziell kein Hauptdonator mehr. Sinnbildlich dafür ein Elfmeter gegen Evian TG FC in der 52. Minute nach einem Handspiel. Sollte Evian TG FC, momentan auf dem Relegationsplatz, die nächste Pleite kassieren? Vorerst stemmt sich vor allem Torhüter Leroy dagegen und entschärft Toivonens Elfer in Parademanier. Zum ersten Mal schwappte so etwas wie Fußballatmosphäre mit der in den Parc des Sports. 

Evian TGHoffenheim stellte Fußballdeutschland auf den Kopf. Adrien Thomasson macht dies gleichermaßen  in der 62. Minute (mit einem satten Schuss in den Winkel) mit dem Spielverlauf und bringt die Hausherren überraschend in Führung. Jedoch hält die Freude nicht lange. Vier Minuten später nutzt Rennes Ntep de Madiba die allgemeine Verwirrung im Strafraum und erzielt mit einem Drehschuss den postwendenden Ausgleich. Nun ist es ein rassiges Spiel, in dem beide Mannschaften um den Sieg kämpfen. Trotz verheißungsvoller Möglichkeiten auf beiden Seiten bleibt es beim gerechten Unentschieden. Das Publikum spendet Beifall zum Abschluss. Nicht wenige von ihnen werden jedoch am Tag danach ihren Unmut auf dem Solidaritätsmarsch in Annecy kundtun - gegen Raketen und Religionsmissbrauch, gegen Terror und unschuldige Tote; für die Freiheit Nicht alle Wunden kann der Fußball heilen, nicht alle Dinge erklären und nicht alle Fragen beantworten. Auch wenn er am Ende für viele dann doch mehr ist als nur eine reine Nebensache - ob in Annecy oder Hoffenheim.

Foto: Eric K.

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Frankreich

Artikel wurde veröffentlicht am
12 Januar 2015
Spielergebnis:
1:1
Zuschauerzahl:
8.011

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