Auf der Suche nach dem Kick: 36 Fußballanekdoten von der Lausitz bis zum Oosterpark

 
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Ruch ChorzowEr gilt als der bekannteste niederländische Groundhopper. Seit nun mehr rund 20 Jahren ist Tom Bodde auf Achse und stattet zahlreichen Stadien und Fußballplätzen einen Besuch ab. Klar, dass bei hunderten Touren reichlich lustige und spannende Anekdoten zusammenkommen. Vor allem, wenn man mit geschärften Sinnen durch die Lande zieht und in den Stadien sowohl einen Blick für das Geschehen auf dem Rasen als auch ein Auge für das Treiben auf den Rängen hat. Dies tat und tut Tom Bodde auf jeden Fall – das wird beim Lesen der ersten Zeilen deutlich. 36 Geschichten hatte er zusammengetragen und in seiner Heimatsprache im Jahr 2008 ein Buch auf den Markt gebracht. Ende 2013 folgte schließlich eine deutschsprachige Version, die beim DC Verlag in Bochum erschienen ist. Inzwischen fand das gute Stück auch den Weg in die turus.net-Redaktion. Es war bei manch einer Fußballtour dabei und verkürzte die Bahnfahrten nach Rostock, Erfurt und Leipzig.

„Spannende Fußballabenteuer … auf der Suche nach dem Kick“ lautet der Titel des 272-seitigen Buches. Auf dem hochglänzenden Cover ist zu sehen, wie Spieler von Malmö FF den Fans nach einem Spiel vom Rasen aus zu klatschen. Ganz schlüssig wirkt das ausgewählte Bild nicht. Zumal das „KICK“ in wirklich fetten weißen Buchstaben daherkommt. Kick? Adrenalin? Action? Radau? Oder doch nur Kick im Sinne von Fußball? Na mal schauen, denkt man sich. Auf der Rückseite ist ein Foto vom Autor zu sehen. Um den Hals einen geknoteten Schal von Slovan Bratislava. Nett lächelnd schaut er in die Kamera. Sympathisch wirkt Tom Bodde in jedem Fall. Also eingepackt das Buch und auf der nächsten Bahnfahrt gelesen.

Tom BoddeDas Gute am Buch: Es sind 36 einzelne Episoden. Von „Tschechischer Samba“ und „Baskischer Hexenkessel“ über „Karneval in Emden“ und „Größenwahn in Perugia“ bis hin zu „Weltberühmt in Polen“ und „Adieu Oosterpark“. Aufgrund des Hochglanz-Covers würde man eventuell reichlich Fotos, welche die 36 Fußballabenteuer dem Leser noch näher bringen, vermuten, doch es bleibt beim gedruckten Wort. Muss ja nicht immer schlecht sein. Somit kann man sich ganz aufs Geschriebene konzentrieren und in Gedanken all die Schilderungen ausmalen. Aufgrund der einzelnen Episoden eignet es sich in der Tat für den einen oder anderen Ausflug. Und da das angesprochene Cover laminiert und extrem grifffest ist, kann im Zug auch schon mal ein Bierspritzer oder ein Portiönchen Senf drauf landen.

Also ganz ehrlich, ich konnte mir vorher keinen Reim machen. Was würde mich in diesem Buch erwarten? Ich fing mal gleich mittendrin an – und zwar mit Kapitel 10. „Entgleiste Derbyatmosphäre in der Serie B“. Na dann mal los! AC Cesena gegen AC Arezzo. „Hooligans don‘ t like paparazzi“ wurde ihm von einem Fabrizio zugeflüstert. Das klang schon mal gut. Diese Situation kennt man ja als Berichterstatter recht gut. Als Tom in Cesena gefragt wurde, ob er wegen des Fußballs oder wegen der Hooligans hier sei, musste ich schmunzeln. Eine ordentliche Portion Adrenalin darf es bei mir schon mal sein. Was ich an seiner Stelle geantwortet hätte? Ganz klar ... Aber Spaß beiseite. Tom antwortete, dass er Groundhopper sei und wegen des Fußballs und der Atmosphäre angereist wäre. Eine sichere Schiene, auf der man im Ausland wohl ganz gut fährt. Als es vor Anpfiff dieses Duells vor dem Stadion zwischen den Fangruppierungen ordentlich schepperte, zeigte sich Tom Bodde etwas irritiert und „flüchtete“ fix in Richtung Haupttribüne.

Nach dem ersten Schreck und der zwischenzeitlichen Enttäuschung über die eher magere Kulisse kam beim Autor intensive Aufregung auf. Die „Fankurven entfachten ein riesiges Spektakel“. Schnell wird beim Lesen klar, Tom Bodde ist sehr begeisterungsfähig und ist beim Fußball mehr als Feuer und Flamme dabei. Die Schilderungen seiner Empfindungen bei den jeweiligen Situationen ziehen sich durch das Buch als roter Faden. An manchen Stellen mögen sie übertrieben wirken, doch andererseits lässt man sich als Leser gern anstecken und freut sich gemeinsam mit dem Autor über spannende Spielmomente und alte halb verfallene Tribünen. Andererseits wirkt manch eine Übersetzung nicht ganz so glücklich. Gut möglich, dass im Original manch ein Satz nicht allzu übertrieben daher kommt.

Huub StevensLeidenschaft. Dieses Wort bringt alles auf den Punkt. Tom Bodde scheint nicht nur der bekannteste Groundhopper zu sein, er ist auch einer der leidenschaftlichsten Groundhopper, die ich kenne. Und zwar leidenschaftlich für die Sache an sich – und nicht für die Statistik. Was auf dem Cover hinten steht, bestätigt sich in seinen Geschichten. Es geht ihm weniger um Länderpunkte, abgehakte Grounds und große Namen. Es geht ihm vor allem um das Ambiente. Und das nimmt man ihm wirklich ab. Sein Buch wirkt ehrlich und authentisch, auch wenn es Kritiker gibt, die ihm seine Emotionalität nicht abnehmen. Ich gebe es zu, auch ich war mir manchmal nicht ganz sicher, vermute jedoch wie gesagt an manchen Stellen eine eher unglückliche Übersetzung. Das Buch hat Schwächen und Stärken, doch unter dem Strich ist es durchaus lesenswert. Tom Bodde packte in seinen Geschichten manch Wissenswertes mit hinein. Je nachdem, aus welcher Ecke der Leser stammt, mag manches banal erscheinen.

Die Kapitel über den FC St. Pauli und den FC Energie Cottbus lockten mich nicht wirklich hinter dem Ofen vor. Doch das macht nichts, schließlich schrieb er sie einst als Holländer für holländische Leser. Gut fand ich andere Geschichten, in denen ich einiges Wissenswertes erfuhr. „The Great Old“ in Antwerpen. Die Sache mit dem „Größenwahn in Perugia“. Oder der „Karneval in Emden“, als beim 1:0 der Kickers das „Mini-Stadion auf seinem Lehmboden wackelte“. Gut zu lesen ist auch der Bericht über das besuchte Spiel Spartak Moskau vs. Terek Grosny, als rund 15.000 russische Soldaten die Ränge fluteten. Und einen passenden Abschluss für sein Werk hat Tom Bodde auch gefunden. Im Kapitel „Adieu Oosterpark“ hat Tom reichlich Herzblut gepackt. Er besuchte das letzte Spiel des FC Groningen in der altehrwürdigen Spielstätte am 22. Dezember 2005. Damaliger Gegner war der FC Volendam. Die Partie wurde 3:0 gewonnen und das Stadion bekam von den Fans einen angemessenen Abschied beschert. 

Tom Bodde hatte seit 1995 das eine oder andere bemerkenswerte Spiel mitgenommen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass er am 19. Mai 2001 im Gelsenkirchener Parkstadion auf den Rängen stand. Dämmert es? Richtig! An jenem Tag war der FC Schalke 04 vier Minuten lang Deutscher Meister und Hollands bekanntester Groundhopper schaute zu …

Fotos: Pyro bei Ruch Chorzow, Tom Bodde mit Antonín Panenka, Tom Bodde mit Huub Stevens 

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Artikel wurde veröffentlicht am
23 Dezember 2014

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