Die serbische Fußballhauptstadt Belgrad ist seit Dekaden ein großes, wenn nicht das große Synonym für hitzige Duelle auf dem Balkan. An dem zurückliegenden Wochenende war die Stadt an der Save und Donau Spielort für die ersten fünf der Tabelle der serbischen Super Liga, darunter die punktgleichen Führenden Roter Stern und Partizan Belgrad. Sportlich recht interessant, jedoch wurde man am Ende eher enttäuscht. Das sommerliche Wetter und die Aktivitäten auf den Tribünen spendeten dabei nur bedingt Trost.
Böller, Konsumtempel und Verfall: Ein Wochenendrückblick aus Belgrad
Roter Stern Belgrad – Spartak Subotica, Samstag 30.08.2014
Die Blue Marines aus dem nordserbischen Subotica sind mit knapp 100 Leuten in den Gästeblock des ehrwürdigen Marakana Stadions von Roter Stern gepilgert, bei einer Entfernung von 200 Kilometern. Sie mühen sich 90 Minuten redlich ab, wobei ein jeder mitzieht und am Ende zumeist doch nur die Trommel im 55.000-Rund zu hören ist. Die Ordner vor der Delije Kurve, der Heimkurve von Roter Stern, bewässern schon vor Anpfiff die Laufbahn. Ein Schelm, wer Böses denkt. Zahlreiche Böller sind in der 1. Halbzeit dann die einzigen Schreckensmomente – Roter Stern kann aus der Überlegenheit auf dem Platz kein Kapital schlagen.
Nach Wiederanpfiff eine völlig andere Situation. Geschlagene drei Lattentreffer kündigen das Führungstor des eingewechselten Belgrader Stürmers Avramovski ein, was gleichzeitig den Endstand bedeuten sollte. Auch die Nordkurve der Delije ist nun lautstärketechnisch auf gutem Niveau – über 3000 Aktive zelebrieren den Heimsieg mit reichlich Pyro verteilt auf die gesamte 2. Halbzeit. Dazu ein Wahnsinniger, der ab der 80. Minute auf dem Stadiondach gemütlich seine Runde dreht. Es gibt sicherlich Schlechteres zu sehen!
Gar nichts zu sehen gibt es beim Stadtduell Rad Belgrad - Partizan Belgrad, Sonntag 31.08.2014. Aufgrund einer Tränengasgranate, geworfen von einem verrückten Rad-Anhänger beim Relegationsspiel um den Verbleib in der 1. Liga im Juni gegen FK Mentalac Gornji, was einen Spielabbruch zur Folge hatte, müssen die ersten Spiele Rads in der neuen Saison unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Die Polizei nimmt dies sicherlich wohlwollend zur Kenntnis. Partizan gewinnt das Spiel mit 4-0.
OFK Belgrad – FK Novi Pazar, Sonntag 31.08.2014.
Novi Pazar ist vor allem für seine zum Teil giftige Heimspielatmosphäre bekannt. Die Fans sind in serbische Bosniaken – zumeist Muslime mit osmanischen Wurzeln. Hitzige Auseinandersetzungen gab es auch schon in Belgrad, beispielsweise beim Besuch bei den Ultranationalisten von Rad Belgrad. An diesem Samstag bleibt der Gästeblock im baufälligen 20.000er von OFK jedoch verwaist. Der bisher Fünftplatzierte aus Novi Pazar verliert in einer vor allem in der 2. Halbzeit spannenden Partie mit 3-2. Zirka 50 eher kurzgeschorene Jugendliche, welche eine Tapete zum 103. Geburtstag des Vereins präsentieren, bringen etwas Stimmung in das mit wenigen Hunderten spärlich besuchte Rund.
Aufgrund der Baufälligkeit ist nur eine Tribüne offen. In der Halbzeit fliegt ein Böller über die Stadionwand auf eben Genannte, die sich zu diesem Zeitpunkt am Toilettenhäuschen versammeln. Wer den Gruß versendete, werden auch die drei nachschauenden Polizisten nicht geklärt haben können.
Partizan und Roter Stern verbleiben nach dem 4. Spieltag punktgleich an der Tabellenspitze, die restlichen angesprochenen Teams verlieren allesamt einige Plätze.
Wer Belgrad abseits des großen Derbys Roter stern-Partizan einen Besuch abstatten will, wird mitunter eher mit schmalerer Kost verwöhnt werden. Dennoch sind die Heimspiele der beiden eben Genannten immer eine Reise wert. Die Europa League Gruppe bringt zudem Besiktas Istanbul nach Belgrad. Vorjahresmeister Roter Stern musste auf seinen internationalen Startplatz aufgrund massiver Schulden verzichten.
Ein fußballerisches Novum hat die serbische Hauptstadt übrigens noch zu bieten. Auf europäischer Ebene einzigartig trägt der Erstligist FK Voždovac seine Heimspiele in 40 Metern über dem Erdboden aus. Das Stadion mit dem Fassungsvermögen von 5200 Zuschauern ist auf dem Dach eines Einkaufszentrums errichtet worden! Eine kleine Fanszene hat der Verein auch zu bieten.
Die Wahl zwischen modernem Kunstrasen auf Konsumtempeln und bröckelnden Steinen in baufälligen Zwanzigtausendern sei jedem selbst überlassen.
Fotos: Eric K.
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