Authentische Zeitreise: Mit Hansa Rostock unterwegs in DDR-Oberliga und Europapokal

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Authentische Zeitreise: Mit Hansa Rostock unterwegs in DDR-Oberliga und Europapokal

Hansa rostockAuf die Frage, ob er im Frühjahr 1992 auch im Gästeblock des Müngersdorfer Stadions war, kam die Antwort, die man erwarten durfte. Ja, Heiko Neubert war mit dabei beim Auswärtsspiel des FC Hansa Rostock beim 1. FC Köln, als ein kleines Häufchen Rostocker Fans eine sportliche Niederlage erleben und nach dem Spiel von Kölner Hools teilweise eine Portion Prügel beziehen musste. Heiko war quasi immer dabei, wenn sein FCH spielte. In der DDR-Oberliga, bei den Auftritten im Intertotocup und UEFA-Pokal Ende der 80er Jahre und auch in der unmittelbaren Nachwendezeit, als sich manchmal nur noch 1.000 treueste Anhänger im geliebten Ostseestadion einfanden. Angefangen hatte Heikos Interesse am Fußball bereits Mitte der 70er Jahre. Mitgenommen ins Stadion wurde er von seinem Vater. Für 55 Pfennige die Eintrittskarte für Kinder, dazu eine Bockwurst aus einer umfunktionierten Waschmaschine und eine Brause. Die nötige Portion Leidenschaft und Adrenalin gab es gratis dazu.

HansaDass Heiko Neubert viel zu erzählen hat, liegt auf der Hand. Was liegt also näher, als ein paar Anekdoten auf Papier zu bringen?! Fußballbücher gibt es viele auf dem Markt, doch die Leserschaft ist hungrig nach neuen Werken. Spannende Rückblicke in die „gute alte Zeit“ kann es nicht genug geben. Dazu ein paar aussagekräftige Fotos – und schon kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Das Ergebnis „Fankogge – Mit Hansa Rostock durch die DDR-Oberliga“, verlegt von nofb-shop.de (Stephan Trosien), kann sich sehen lassen. Hält man das 156-seitige Werk in der Hand, mag es auf den ersten Blick ein wenig zu schlicht erscheinen. Ein einfach gestaltetes Cover. Weiße Schrift auf blauem Untergrund. Dazu ein Foto mit feiernden Hansa-Fans. Kein Schnickschnack, nichts groß aufgetragenes. Sicherlich keine wortgewaltigen Texte wie in der Zeitschrift 11 Freunde, doch wenn man sich auf dieses Buch einlässt und gedanklich wirklich eintaucht in die blau-weiße Zeitreise, dann wird man durchaus Gefallen finden.

HansaGanz klar, es ist ein Buch von einem Fan für Fans. Ein Buch auf Augenhöhe. Kein literarischer Hochseilakt, sondern ein Buch mit sehr viel Herzblut. Einfach geschrieben, doch gut lesbar. Nach der Einleitung lässt Heiko Neubert die Leser in Gedanken noch einmal auf die Auswärtsfahrten der 80er Jahre gehen. Mit Hansa Rostock nach Aue, Berlin, Erfurt, Magdeburg und auch nach Suhl. Da auch zu DDR-Zeiten Bahntickets nicht gerade ein Schnäppchen waren (eine Fahrt von Rostock nach Aue kostete hin und zurück zirka 100 Mark), musste sich manch ein Fußballfreund etwas einfallen lassen. Der eine trampte, die anderen buchten Gruppenfahrten mit FDGB-Ermäßigung.

OstravaAufgelockert wird das Buch von Berichten von Renate, einigen Zeitungsberichten und Berichten der Abteilung XX des Ministeriums für Staatssicherheit. So zum Beispiel zu den Vorbereitungen des UEFA-Cup-Rückspiels des FC Hansa bei Banik Ostrava in der CSSR am 27. September 1989 und zur Struktur der Fanclubs Mitte der 80er Jahre. Für das Buch zur Verfügung gestellt hatte Dirk Tempel seine Stasiakte. Zudem mit Bildmaterial unterstützten Steffen Krohn und Axel Ollk das Buchprojekt. Zu sehen sind Fotos, die authentischer kaum sein könnten. Rostocker Fans in den Gästeblöcken in Bischofswerda, Cottbus, Halle und Templin. Ausgelegte Fanutensilien im Rostocker Hauptbahnhof, Gruppenfotos, Erinnerungsfotos im Ausland. Bilder, wie sie jeder Fußballfan wohl einmal angefertigt hatte. Grimmen grüßt den FC Hansa. Ein Banner der Brauerei Rostock – Tradition die verpflichtet. Eine Zaunfahne des Hansa-Fanclubs Nautilus. Der FC Hansa Rostock zu Gast bei Plastika Nitra und Banik Ostrava. Feiernde Fans bei der Meisterschaft 1991. Strahlende Gesichter. Markante Gesichter. Gesichter, die zeigen, dass der FC Hansa ihr Leben ist.

HansaEin Buch, das auch nachdenklich macht. Wo ist nur die Zeit geblieben? Ist alles wirklich schon so lange her? Die Frage stellt man sich durchaus, wenn es Schnittmengen gibt. Meine persönliche Schnittmenge ist das eingangs erwähnte Auswärtsspiel des FC Hansa in Köln-Müngersdorf. Damals wohnte ich in Leverkusen und schaute aus Neugier des Öfteren im dortigen Gästeblock vorbei. Dynamo Dresden, VfB Leipzig, Hansa Rostock – die gesamte Liga querbeet begrüßte ich Anfang bis Mitte der 90er. Mit der Zeit, als der FC Hansa seine erste Bundesligasaison absolvierte, endet das Buch. Inklusive eines Berichts über die denkwürdigen Partien gegen den FC Barcelona im Europapokal der Landesmeister.

OstseestadionEinen Bogen in Richtung Gegenwart schlug Heiko Neubert allerdings noch. Mit Hansa Rostock im Jahre 1998 im Intertotocup. Nachdem die Qualifikation für den UEFA-Cup knapp verpasst wurde, sollte der Einzug auf diesem Wege gelingen. Auf nach Debrecen! Den mitgefahrenen Fans empfahl ein Hansa-Spieler keine Tickets für das Rückspiel im Ostseestadion zu kaufen, da Hansa freiwillig ausscheiden wollte. Dem damaligen Trainer Lienen passte der UI-Cup wohl überhaupt nicht in die Vorbereitung. Was für ein Betrug an den eingefleischten Fans, die ihre letzten Groschen aus dem Sparstrumpf gekramt hatten, um ihr Team auswärts zu unterstützen!

HansaEtwas überraschend spielte der FC Hansa 1:1 und hatte somit eine gute Ausgangssituation für das Rückspiel. Hansas Neuzugang Agali erzielte kurz vor Schluss den Ausgleichstreffer. Kein Mitspieler jubelte mit ihm. Man hatte wohl vergessen, Agali vor dem Spiel zu instruieren. Eine verrückte Geschichte! Das Rückspiel wollten 5.000 Zuschauer sehen. Damit nichts anbrennte und ausversehen der Einzug in die nächste Runde glückte, verschoss der FC Hansa sogar absichtlich einen Elfmeter. Kurzum: Eine Anekdote, mit der Heiko Neubert die Leser ein wenig ratlos und betroffen zurücklässt. Es fühlt sich an, als hätte Heiko nur ein wenig am Eis gekratzt. Man möchte gar nicht wissen, wie viele Mauscheleien es noch so gab und gibt.

FankoggeIm Nachwort erklärt er, dass es noch so viele Geschichten gäbe, die ein weiteres Buch füllen würden. Anekdoten von den Trainingslagern in Spanien, Portugal und Dubai. Und natürlich von „Bochum 1999“ sowie diversen Spielen gegen den FC St. Pauli. Nicht zuletzt die Sache mit dem ehemaligen Hansa-Trainer, der Heiko in Köln mal verprügeln wollte. Köln. Gutes Stichwort. Hier schließt sich der Kreis. Auch ich werde da später mal ansetzen. Und ja, ein Teil 2 der „Fankogge“ wäre wünschenswert. Gern noch dicker, noch mehr Fotos, noch mehr Anekdoten! Gern wieder mit Gastautoren. Die Anekdote von „Köln 1992“ übernehme ich gern! ;-)

Fotos: Heiko Neubert, Steffen Krohn & Axel Ollk

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Artikel wurde veröffentlicht am
19 März 2014

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