EHC Eisbären Berlin vs. Skelleftea AIK: Dynamische Zeitreise im Wellblechpalast

 
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sc DynamoPlötzlich war (fast) alles wie früher. So, als seien keine sieben Jahre seit dem Umzug in die neue Arena vergangen. Die Fans des EHC Eisbären rockten am gestrigen Abend den Wellblechpalast in Berlin-Hohenschönhausen und all die Erinnerungen kamen wieder hoch. Ganz besonders die aus den 1990er Jahren. Damals am 25. Oktober 1991, als ich mein erstes persönliches Spiel im Welli gesehen hatte. Ein Kumpel, der Fußball scheute wie der Teufel das Weihwasser, schleppte mich mit zum Heimspiel gegen den Grefrather EC (2. Bundesliga). Musste mit, ist der Hammer! Viel besser als Fußball! Acht Mark hingelegt und hinein in die in den 1960er Jahren von der tschechoslowakischen Firma Ostrawa errichten Halle, die damals im Herbst 1991 noch so richtig schön muffig und verraucht war. Zwar fand ich das Geschehen auf den Rängen nicht besser als beim Fußball, doch es kam den Erlebnissen in den Stadien schon recht nahe. „Ost-, Ost-, Ostberlin!“, hallte es über das Eis. „Dynamo! Dynamo!“ Beim Heimspiel gegen Grefrath hieß der Verein tatsächlich noch EHC Dynamo Berlin, erst 1992 wurde der Verein, um besser Sponsoren finden zu können, in EHC Eisbären Berlin umbenannt.

sc DynamoPlötzlich war (fast) alles wie früher. So, als seien keine sieben Jahre seit dem Umzug in die neue Arena vergangen. Die Fans des EHC Eisbären rockten am gestrigen Abend den Wellblechpalast in Berlin-Hohenschönhausen und all die Erinnerungen kamen wieder hoch. Ganz besonders die aus den 1990er Jahren. Damals am 25. Oktober 1991, als ich mein erstes persönliches Spiel im Welli gesehen hatte. Ein Kumpel, der Fußball scheute wie der Teufel das Weihwasser, schleppte mich mit zum Heimspiel gegen den Grefrather EC (2. Bundesliga). Musst du mit, ist der Hammer! Viel besser als Fußball! Acht Mark hingelegt und hinein in die in den 1960er Jahren von der tschechoslowakischen Firma Ostrawa errichten Halle, die damals im Herbst 1991 noch so richtig schön muffig und verraucht war. Zwar fand ich das Geschehen auf den Rängen nicht besser als beim Fußball, doch es kam den Erlebnissen in den Stadien schon recht nahe. „Ost-, Ost-, Ostberlin!“, hallte es über das Eis. „Dynamo! Dynamo!“ Beim Heimspiel gegen Grefrath hieß der Verein tatsächlich noch EHC Dynamo Berlin, erst 1992 wurde der Verein, um besser Sponsoren finden zu können, in EHC Eisbären Berlin umbenannt.

EHCZu DDR-Zeiten liefen die Spieler als SC Dynamo Berlin auf und spielten bis 1990 in der „kleinsten Liga der Welt“ Jahr für Jahr mit der SG Dynamo Weißwasser den Titel aus. Zuschauer kamen in Berlin-Hohenschönausen meistens nur zu den Duellen im Europacup, die Spiele gegen Weißwasser zogen indes kaum die Fans an. Der Kölner EC, der Berliner Schlittschuhclub, Podhale Nowy Targ, SC Bern, IFK Helsinki, HC Lugano, Polonia Bytom, ZSKA Moskau, Dukla Jihlava, Djurgardens IF Stockholm, SB Rosenheim und Poldi Kladno - allesamt gaben im Wellblechpalast vom Zeitraum 1976 bis 1989 ihre Visitenkarte ab.

EHCIn den 1990er Jahren wurden die Duelle gegen den Stadtrivalen BSC Preussen (später Preussen Devils bzw. Berlin Capitals) das Highlight der jeweiligen Spielzeit. Unvergessen das überraschende 4:3 nach Verlängerung bei den Preussen am 10. November 1995! Meine Güte, ist das fast exakt 20 Jahre her?! Kinder, wie die Zeit vergeht. Das Spiel hatte sich fest eingebrannt. Der Ausbruch der Gefühle bei den ersten drei Toren, die Explosion beim vierten Treffer in der Verlängerung. Für mich war es das intensivste Tor schlechthin. Es übertraf in Sachen Intensität sogar manch einen Fußballkracher. 

dynamoLegendär waren in den 1990ern auch die Duelle gegen Schwenningen in der play-down-Runde. Immer wieder zog der EHC Eisbären, der bis 1996 stets ganz unten in der 1. Bundesliga bzw. DEL angesiedelt war, den Kopf aus der Schlinge. Ab 1996/97 ging es sportlich aufwärts. Mit den Preussen konnte nun auf Augenhöhe gespielt werden. Nachdem 1998 und 2004 der EHC Eisbären Berlin bereits Vizemeister wurde, platzte der Knoten in der Saison 2004/05. Gegen die Adler Mannheim wurde im Finale mit drei Siegen am Stück (einem „Sweep“) der Sack zugemacht. Damals im April 2005 stand ich mit anderen Fans, die keine Karte mehr bekommen hatten, vor dem Wellblechpalast. Nach Abpfiff kam es zu Rangeleien mit den Ordnern. Die draußen stehenden Fans wollten wenigstens bei der Meisterfeier kurz mit dabei sein. Die Türen blieben geschlossen, manch ein böses Wort wechselte die Seiten. 

EHCNoch zwei weitere Meistertitel konnten im Welli gefeiert werden, bevor es zu Beginn der Saison 2008/09 in die neu gebaute O2 World, jetzt Mercedes Benz-Arena, ging. Tränen flossen, schwer fiel zahlreichen Fans der Umzug in die moderne Arena. Etwas Trost boten die Heimspiele der Eisbären Juniors und auch die Oberliga-Duelle zwischen FASS Berlin und den Preussen zogen mitunter vierstellige Besucherzahlen an. Die Stimmung von damals konnte aber logischerweise nicht mehr aufkommen. Umso größer die Freude, als in der vergangenen Saison im März 2015 das Pre-Playoff-Spiel gegen Nürnberg notgedrungen in den geliebten Welli verlegt werden musste. Vor ausverkauften Rängen wurden die Franken mit 6:3 vom Eis gefegt und die Fans waren komplett aus dem Häuschen.

SchwedenAm gestrigen Abend war es wieder soweit. Das Hinspiel im Achtelfinale der Champions Hockey League (CHL) bot den Fans die Gelegenheit wieder einmal im Wellblechpalast vorbeizuschauen. Zu Gast war der schwedische Vizemeister Skelleftea AIK. Die im Norden Schwedens gelegene Stadt Skelleftea hat gerade mal 33.000 Einwohner, und so war es kein Wunder, dass nur eine handvoll Fans nach Berlin angereist war. Insgesamt waren es 4.554 Zuschauer, die das gestrige Spiel sehen wollten. Wenn man allerdings in Erinnerung ruft, wie dermaßen voll damals in den 1990er Jahren bei wichtigen Spielen die Stehblöcke waren, so mag man sich nicht ausmalen, wie viele Zuschauer damals wirklich mitunter im Welli waren. Beim Derby gegen Preussen quetschten sich die Fans auf den Stufen und auch die Zugänge waren komplett verstopft. Für Leute mit Platzangst war der Wellblechpalast keine gute Wahl. Für Personen mit empfindlichen Ohren ebenso nicht. Die Lautstärke war schier unfassbar. 

schwedenGanz so brachial laut wurde es gestern nicht. Dafür fehlte es einfach an Brisanz. Was jedoch nicht heißen soll, dass die Stimmung nicht grandios war. Keine Frage, das Heimspiel gegen Skelleftea AIK wurde zu einem echten Erlebnis, und hätten die Eisbären im zweiten oder dritten Drittel noch das Spiel gedreht, wäre in Sachen Lautstärke sogar noch mehr möglich gewesen. Und generell: Viel Dynamo, viel Weinrot. Manch ein altes gutes Stück wurde noch einmal aus dem Schrank geholt. Ganz sicher wird man auch generell etliche Dynamo-Utensilien bei den Eisbären sehen, doch am gestrigen Abend waren es schlichtweg mehr als sonst. Zu Beginn der Partie gab es eine Choreo mit dem Logo des SC Dynamo Berlin. Dazu weiße und weinrote Fähnchen. „Hier nahm seinen Anfang, was niemals enden wird“ war über und unter dem großen Logo zu lesen. 

EHCDer Kern der aktiven Fanszene stellte sich nicht direkt hinter das Tor, sondern mehr in die Ecke. Ein guter Schachzug, denn somit konnte von mehreren Stellen aus mit Trommeln die Masse animiert werden und mit den schwenkenden Fans wurde den älteren Fans an ihren Stammplätzen nicht die Sicht genommen. Immer wieder wurde der Wechselgesang aufgenommen, immer wieder ertönte das „Dynamo!“. Und ja, einmal hallte sogar das legendäre „Ost-, Ost-, Ostberlin!“ durch die Halle. Ein Eishockey-Abend ohne Schnickschnack. Ein Abend, an dem Tradition nach Herzenslust ausgelebt wurde. Sicherlich wird aus diesem Grund manch ein EHC-Fan, der beim Fußball nicht gerade zum BFC Dynamo pilgert, dieses Duell im Welli gemieden haben. Der „normale“ Eishockey-Alltag kann ja beim nächsten Heimspiel in der Arena wieder aufgenommen werden.

EHCAuf dem Eis hatten die Berliner leider ganz klar das Nachsehen. Der Einsatz stimmte, doch die schwedischen Gäste waren schlichtweg zu überlegen. „Schweden erteilen Lehrstunde“, ist auf der offiziellen Seite der Eisbären zu lesen. „Nun ja“, meinte jemand nach dem Spiel in der Straßenbahn, „es war, als würde Darmstadt gegen Barcelona spielen. Aber es war geil!“ Bereits nach 184 Sekunden klingelte es im Gehäuse der Eisbären. Nachdem Erik Forsell auf 2:0 für Skelleftea AIK erhöhen konnte, schien der Sieg in weite Ferne gerückt. Zu Beginn des zweiten Drittels legten die Schweden nach, Tim Heed machte das 3:0 der Gäste. Erfreulicherweise ging dann ein Ruck durch die Mannschaft des EHC. Plötzlich ging was. Der Druck wurde erhöht und als Bruno Gervais den Puck unten rechts zum 1:3 reinhaute, stand die Halle Kopf. Die Stimmung wurde noch besser und die Mannschaft versuchte auf dem Eis nachzulegen. Dies sollte jedoch vorerst nicht gelingen. Mit 1:3 ging es in die zweite Pause.

ehcIn jener pflaumte ein EHC-Fan einen Ordner an, der mit dem vorgezeigten Ticket nicht recht zufrieden schien. „So, Mausepaul, ich war schon hier, da hast du noch in die Windel geschissen! Und jetzt lässt du mich durch!“ In den 1990ern wäre das Anlass genug gewesen, als Ordner-Personal aktiv zu werden. Gestern Abend ließ man es darauf beruhen. Auf dem Eis setzte es zu Beginn des dritten Drittels sogleich das 1:4. Fünf Minuten später sogar das 1:5. Der Drops war gelutscht. Gefeiert wurde nun trotzdem. Wechselgesänge. Lautes Trommeln. Auch das dynamische Urgestein Klasen musste ran und lautstark die Uffta anstimmen. Lächelnde Gesichter so weit das Auge reichte. „Dynamo ist der geilste Club der Welt“ hallte es ein fürs andere Mal durch die Halle. Das 2:5 viereinhalb Minuten vor Schluss war zwar nur noch Ergebniskosmetik, doch gefeiert wurde es trotzdem. 

ehcLange nach Abpfiff blieben zahlreiche Fans auf den Rängen. Manch einer wollte gar nicht mehr gehen. Wehmut kam auf. Logisch, dass die alten Zeiten nicht mehr zurückgeholt werden können, doch ein-, zweimal pro Jahr könnte der EHC Eisbären gern im Wellblechpalast spielen. Da die Spielstätte für die DEL offiziell nicht zugelassen ist, könnten es ja die Europacup-Spiele sein. Oder vielleicht mal ein Testspiel gegen Crimmitschau, Weißwasser oder die Preussen? Möglichkeiten gäbe es da genug…

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: EHC Eisbären Berlin

 

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