Andreas Fricke und Georg Froese: Geschichte einer (Fußball)Freundschaft

Hot
F Updated

Georg Froese und Andreas FrickeDie Stürmer Georg Froese (33) und Andreas Fricke (35) haben sich das erste Mal vor dreizehn Jahren getroffen, seitdem haben sich ihre Wege im Laufe der Zeit immer wieder gekreuzt. Die beiden haben für zahlreiche Regional- Ober- und Verbandsligavereine gespielt, dabei aber stets auch ihre berufliche Karriere verfolgt. Sie haben oft, aber nicht immer für dieselbe Mannschaft gespielt und mitunter auch in verschiedenen Städten gewohnt, sich aber nie aus den Augen verloren. Ihre Freundschaft besteht noch heute, da sie Spielertrainer in der Bezirksliga beim FC Internationale Berlin sind.

Georg Froese und Andreas FrickeDie Stürmer Georg Froese (33) und Andreas Fricke (35) haben sich das erste Mal vor dreizehn Jahren getroffen, seitdem haben sich ihre Wege im Laufe der Zeit immer wieder gekreuzt. Die beiden haben für zahlreiche Regional- Ober- und Verbandsligavereine gespielt, dabei aber stets auch ihre berufliche Karriere verfolgt. Sie haben oft, aber nicht immer für dieselbe Mannschaft gespielt und mitunter auch in verschiedenen Städten gewohnt, sich aber nie aus den Augen verloren. Ihre Freundschaft besteht noch heute, da sie Spielertrainer in der Bezirksliga beim FC Internationale Berlin sind.

Sieg gegen Union Berlin als persönliches Karriere-Highlight

Meine Beziehung zu den beiden fing nicht sonderlich gut an: es war ein kalter Nachmittag im November vor sieben Jahren in Potsdam. Ich stand im überquellenden Auswärtsblock des ausverkauften Karl-Liebknecht-Stadions und drückte Union Berlin die Daumen beim Auswärtsspiel gegen den SV Babelsberg 03. Union musste gewinnen, um den Aufstieg in die Regionalliga nicht aus den Augen zu verlieren und ging auch zwei Mal in Führung. Leider trafen sowohl Georg als auch Andreas (sowie ihr guter Freund Patrick Moritz): Unions Sebastian Bönig hatte in der 82. Minute das 2:1 mit einem wunderschönen Freistoß erzielt, doch die Freude währte nur Sekunden da Georg Froese direkt danach den Ausgleich gegen seinen Ex-Club erzielte. Andreas Frickes Volleyschuss in den Winkel zum 3:2 mit dem Schlusspfiff ließ das KarLi erbeben und Unioner mit bangen Gedanken ob der Aufstiegschancen ihres Teams nach Hause gehen.

Ich frage die beiden, wie sie an den Tag zurück denken: „ausverkauftes Stadion, bombige Atmosphäre und ein spektakulärer Spielverlauf – das war phänomenal und ohne Zweifel das persönliche Highlight unserer Karriere“ erinnert sich Andreas. Ihre ereignisreichen Karrieren starteten Mitte/Ende der 1990er, seitdem hat jeder mehrere hundert Tore erzielt, diverse Aufstiege gefeiert und trotzdem eine berufliche Laufbahn außerhalb des Platzes verfolgt. Jeder hat für über zehn verschiedene Clubs in Berlin und Brandenburg gespielt, und der FC Internationale ist die sechste Mannschaft für die beide zusammen auflaufen.

Ihre Freundschaft begann bei ihrem ersten gemeinsamen Verein, dem Brandenburger SC Süd (BSC Süd) in Brandenburg an der Havel, eine Stunde westlich von Berlin. Es war nicht schlimm, dass Georg nur für die erste Hälfte der Saison 2000/01 blieb, denn „wir haben beide studiert, hatten dieselben Interessen und daher recht schnell gemerkt, dass wir uns mögen“, so Andreas. Georg ging im Winter nach Neuruppin, Andreas folgte in der kommenden Saison, um ein Jahr später zu Tennis Borussia Berlin zu wechseln.

Die „Siamesischen Zwillinge“ – von Ludwigsfelde bis nach Babelsberg

Fußball-Schlagzeilen zu den beiden gab es aber erst 2003/04, als sie den Ludwigsfelder FC gemeinsam mit ihren insgesamt 56 Toren in die Oberliga schossen. Georg verwendete damals den Begriff „Siamesische Zwillinge“ und Andreas erinnert sich heute, dass „in dieser Saison einfach alles gepasst hat“: sie waren schnell genug um die langen Pässe ihrer Mitspieler zu verwerten und die Mannschaft hat dem Aufstiegsdruck über alle Spiele hinweg gut standgehalten. Andreas und Georg konnten damals sogar Zeit abseits des Platzes verbringen: sie reisten nach England, vor allem um ein paar Mädels zu besuchen. Fußball gab es dann aber auch: Leeds United vs. Tottenham Hotspur („0:1, Robbie Keane“ erinnert sich Georg sofort). Beide waren von der Elland Road sehr beeindruckt, denn sie fühlten sich deutlich näher am Spielgeschehen als in deutschen Stadien.

Nach ihrer Aufstiegssaison zog es Georg für ein Semester nach Spanien. Andreas blieb in Ludwigsfelde, wollte aber schon immer zurück in die Stadt, in der er geboren wurde, um dort für das Team auflaufen, bei dem er seine Karriere begonnen hatte: Babelsberg 03. Er hatte Glück: der Verein suchte dringend Stürmer und so konnte er dort sogar seinen guten Freund Georg unterbringen, auch wenn der durch seine Erasmus-Zeit in Spanien länger keine Wettkampfpraxis hatte.

Jetzt konnten beide wieder im Team knipsen und die erste Hälfte dieser Saison 2005/06 lief besser als gedacht für Babelsberg – den Höhepunkt bildete schließlich der oben beschriebene Sieg gegen Union kurz vor der Winterpause. Die 03er spielten aber nicht nur über den Erwartungen sondern auch oberhalb ihrer Fähigkeiten. In der zweiten Saisonhälfte brach Babelsberg ein und verlor etwa die Hälfte der Spiele, darunter auch 0:1 an der Alten Försterei (diese Niederlage beendete endgültig alle Aufstiegsträume, am Ende gelang Union der direkte Wiederaufstieg): „Es war ein furchtbares Halbjahr, die Mannschaft war völlig gehemmt. Die Zuschauer haben am Ende auch zu viel erwartet, und wenn es nach 30 Minuten noch 0:0 stand, gab es schon Pfiffe und Unmutsäußerungen“, so Georg. Die Stimmung im Verein war im Keller und nach den vielen Niederlagen wollte man den beiden ihre immerhin insgesamt 25 Tore auch nicht mehr so recht anerkennen.

Aufstiege und Torjägerkanonen in der Brandenburgliga

Falkensee FinkenkrugAlso ging es wieder weiter, dieses Mal zum SV Falkensee-Finkenkrug. Die erste Saison war jedoch keine gute, der Verein wollte das Team danach runderneuern und behielt nur Georg. Andreas schloss sich für die Saison 2007/08 dem BSC Süd an und plötzlich waren die ehemaligen „Siamesischen Zwillinge“ Konkurrenten in der Brandenburgliga. Aber wie das bei getrennten Zwillingen so ist, machten sie trotzdem alles vollkommen identisch: am Ende der Saison stiegen beide mit ihren Teams auf und hatten beide jeweils exakt 25 Tore erzielt. Vor ihrem jeweils letzten Ligaspiel lag Andreas noch mit einem Tor vorne, aber „wir hatten vorher abgemacht, dass wir gemeinsam die Torjägerkanone gewinnen“, erinnert sich Georg. Andreas wollte alles tun, um selbst nicht zu treffen – als Georg ihn aber in der Halbzeit anrief um stolz zu erzählen, dass er aufgeholt hatte, erfuhr er, dass auch Andreas ein Tor erzielt hatte. Zum Glück traf Georg erneut in der zweiten Halbzeit, danach vergaben beide so viele Konterchancen wie möglich – sehr zum Ärger ihrer Trainer. Diese mussten sich aber nicht sorgen: Falkensee war bereits aufgestiegen, der BSC Süd hatte den Relegationsrang sicher (und setzte sich dann gegen SV Schott Jena durch).

In dieser Saison waren sie in der Blüte ihres Fußballerlebens. Beide spielten danach zwar für weitere Clubs und jeder konnte auch noch einen Aufstieg feiern: Georg mit der VSG Altglienicke (Aufstieg in die Berlinliga 2009/10) und Andreas mit dem RSV Waltersdorf (Aufstieg in die Oberliga 2011/12). Aber ihr Lebensmittelpunkt verschob sich vom Trainingsplatz in den Hörsaal: beide wollten ihr Studium abschließen, was ihnen im selben Jahr gelang (2008).

Karriere außerhalb des Platzes

Plache StadionMit Ausnahme von amüsanten Turnier-Reisen mit der Studenten-Nationalmannschaft wie z.B. nach Ecuador hatten die beiden keine Verbindung an der Uni: Andreas besuchte die Humboldt Universität Berlin und arbeitet jetzt als Lehrer für Wirtschaft und Sport. Georg studierte Psychologie an der Freien Universität Berlin und promovierte danach in Leipzig (wo er auch einige Spiele für Lok Leipzig in der Oberliga absolvierte). Dr. Froese nennt jetzt zusätzliche Examen in Sportpsychologie und Mentalcoaching sein eigen und berät mittlerweile auch den einen oder anderen Bundesligaclub. Für seine Doktorarbeit zum Thema: „Sportpsychologische Einflussfaktoren der Leistung von Elfmeterschützen“ erhielt kürzlich den ersten Preis beim DFB Wissenschaftspreis 2013.

Im Rahmen seiner Forschung hat er tausende Elfmeter in der Bundesliga sowie hunderte internationale Elfmeterschießen analysiert, ein Experteninterview mit Hans-Jörg Butt geführt (der als Elfmeter schießender Torwart beide Seiten kennt) und das Turnier „Elfmeterkönig von Leipzig“ mit 40 Testpersonen veranstaltet. Seine Erkenntnis: man kann Elfmeterschießen trainieren und optimieren, es gibt verschiedene Typen von Schützen und entsprechende Strategien. Man kann seine Erfolgsquote deutlich steigern wenn man strategisch schießt, also z.B. unter allen Umständen eine bestimmte Ecke anvisiert, oder aber auf Hinweise vom Torwart reagiert. Doch laut Georgs Untersuchung entscheiden sich viele Spieler für „fight oder flight“: entweder einen kraftvollen aber riskanten Schuss, oder einen vorsichtigen, der leicht zu halten ist. Dabei hatte er auch einen persönlichen Aha-Effekt: „Ich habe jetzt den empirischen Beweis, dass ich kein geeigneter Elfmeterschütze bin. Mir fehlt die nötige Grundruhe, um das Repertoire an Schüssen oder Strategien abzurufen.“

FC Internationale Berlin: „No Racism“ und non-kommerziell

InternationaleGeorg Froese hat heute nicht mehr viel Zeit, um Fußball zu spielen. Aber zwei Mal in der Woche mit einer Bezirksliga-Mannschaft zu trainieren schafft er noch. Als ihm ein Bekannter 2009 vom FC Internationale erzählte, war er sofort interessiert – vor allem, als er über die Werte des Clubs erfuhr. An vorderster Front steht „No Racism“, der Ausspruch ziert seit Gründung des Clubs 1980 das Trikot der Spieler: „Das ist ein wichtiger Punkt für mich, vor allem weil meine Freundin türkisch ist und unsere drei Jahre alte Tochter halb Deutsch und halb Türkisch aufwachsen wird. Ich habe außerdem schon zu viel Rassismus im Fußball erlebt, der in einer gefährlich naiven Form bei vielen Mannschaften Gang und Gäbe war. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, diese Einstellung zu ändern, daher spricht mich Inters Position zum Thema besonders an.“

InternationaleDer Club wurde zudem als Gegenpol zum kommerziellen Fußball gegründet, in der festen Überzeugung, dass man aus Freude und Leidenschaft zum Sport spielen sollte und nicht für Geld. Spieler erhalten bei Inter zwar keine Bezahlung, sind aber trotzdem loyal da sie die Werte schätzen: „Der nicht-kommerzielle Aspekt war mir auch sehr wichtig“, sagt Georg, der es nach einem langsamen Start immerhin auf 31 Tore in 20 Spielen in der letzten Saison brachte.

Seit dem Sommer 2012 hat er einen weiteren Grund, sich bei Inter wohl zu fühlen: er konnte seinen guten Freund Andreas überzeugen sich ihm anzuschließen. Nach dessen Aufstiegssaison mit Waltersdorf war der Sprung in die achte Liga nicht selbstverständlich, fiel Andreas am Ende aber doch nicht schwer: „da Arbeit und Familie mittlerweile viel Zeit beanspruchen, war der FC Internationale eine gute Möglichkeit, unsere Freundschaft aufleben zu lassen.“

Vereint als Spielertrainer

FC InternationaleAndreas ist offiziell Cheftrainer (er spielt nur noch selten), Georg sein Assistent (der regelmäßig spielt und trifft), aber beide teilen sich die Trainer-Aufgaben gleichmäßig auf. Sie sind dabei bodenständig, bescheiden und entscheiden immer im Interesse des Teams: „Wir spielen nur, wenn wir fit sind und solange wir helfen können“, sagt Georg, „denn unser übergeordnetes Ziel ist es, eine Mannschaft aufzubauen die später auch ohne uns als Spieler funktioniert.“

Inter hatte einen guten Saisonstart, konnte hohe Siege feiern (bis zu 14:0). Die meisten Heimspiele werden am Kickersplatz Monumentenstraße in Schöneberg ausgetragen, einem lauschigen Rasenplatz der von einem Grashügel auf der einen und sechs Betonstufen auf der anderen Seite eingerahmt wird. Wir unterhalten uns hier im Sommer nach einem Spiel, während Inters zweite Mannschaft in Aktion ist. Beide richten ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf das Geschehen auf dem Platz, kommentieren lebhaft und feuern ihre Jungs an. Man merkt, dass sie trotz anderer Verpflichtungen mit viel Herzblut dabei sind.

FC InternationaleIm weiteren Verlauf der Saison musste Inter einige Niederlagen gegen Konkurrenten von der Tabellenspitze hinnehmen (SC Union 06, Viktoria Berlin II oder SD Croatia), befand sich aber bei Anbruch der Winterpause noch auf Platz zwei (der zum Aufstieg berechtigt). Im Februar besuche ich sie erneut, dieses Mal spielen sie auf Kunstrasen in ihrer neuen Inter-Arena am Südkreuz. Das Team ist angespannt, spielt verkrampft und die Erleichterung ist groß, als Inter spät durch einen Elfmeter in Führung geht. Konnte Dr. Froese den Schützen vorher mit seiner Expertise beraten? „In der achten Liga kann man das die Vorbereitung auf einen Elfmeter nicht übertreiben, aber wir haben Verantwortung und Druck von ihm genommen indem wir ihm gesagt haben wohin er schießen soll. Er hat das dann zwar nicht ganz erfüllt, aber immerhin war der Ball drin.“

Die beiden vermitteln ihrer Mannschaft, dass der Aufstieg in dieser Saison kein Zwang ist, aber die Jungs wollen selber unbedingt sofort in die Landesliga. Langfristig möchte der Club sogar in die Berlinliga vordringen, aber der Aufbau der dafür nötigen Infrastruktur und Teamkultur hat für Andreas und Georg zunächst Priorität.

Georg FroeseWährend ihrer ersten Monate als Trainer haben sie schon reichlich Erfahrung gesammelt in der Organisation von Trainingseinheiten und im Management eines großen Kaders mit seinen individuellen Persönlichkeiten und deren Ansprüchen. Aber hat die gemeinsame Aufgabe auch wirklich ihre Freundschaft wiederbelebt, da sie nun wieder mehr Zeit zusammen verbringen können als noch in den letzten Jahren? „Nein“, sagt Andreas, „wir können uns nicht mehr leiden – das ist jetzt nur noch eine Arbeitsbeziehung.“ Beide schauen sich mit einem bübischen Grinsen an und müssen lachen. Und ich bin froh, dass mein erster Eindruck von den beiden, damals im kalten Karl-Liebknecht-Stadion, nicht mein letzter war.

Fotos: Felix Natschinski

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen vom FC Internationale Berlin

 

Benutzer-Bewertungen

In diesem Beitrag gibt es noch keine Bewertungen.
Hast du schon ein Konto?
Ratings
Bewertung / Kommentar für den Artikel
Datenschutz
Durch das Anhaken der folgenden Checkbox und des Buttons "Absenden" erlaube ich turus.net die Speicherung meiner oben eingegeben Daten:
Um eine Übersicht über die Kommentare / Bewertungen zu erhalten und Missbrauch zu vermeiden wird auf turus.net der Inhalt der Felder "Name", "Titel" "Kommentartext" (alles keine Pflichtfelder / also nur wenn angegeben), die Bewertung sowie Deine IP-Adresse und Zeitstempel Deines Kommentars gespeichert. Du kannst die Speicherung Deines Kommentars jederzeit widerrufen. Schreibe uns einfach eine E-Mail: "kommentar / at / turus.net". Mehr Informationen welche personenbezogenen Daten gespeichert werden, findest Du in unserer Datenschutzerklärung.
Ich stimme der Speicherung meiner personenbezogenen Daten zu:
Kommentare