Chemnitzer FC vs. Hansa Rostock: Die Stadt steht noch, keine Spur von 2.000 Hools

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„Chemnitz zittert vor 2000 Hansa-Hools“, titelte die Chemnitzer Morgenpost am Tag vor dem durchaus brisanten Ost-Duell auf ihrer Titelseite. Zudem weiß auf blau: „Sie haben schon Erfurt, Bochum und St. Pauli zerlegt.“ Als Aufmacher ein typisches Foto aus der Standardkiste. Ultras am Zaun, dahinter qualmt es. Die Meute von der Ostsee kommt. Das einstige Karl-Marx-Stadt quasi vor dem Weltuntergang. Was am 21. Dezember 2012 nicht geschah, könnte nun am 02. Februar 2013 Realität werden. Vom Stil schien sich die dortige Mopo einiges vom Kölner Express abgeschaut zu haben, denn dort hieß es bereits Anfang der 90er Jahre vor einem Match zwischen dem 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen: „Heute knallt´s!“

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Dass diese Aussagen völliger Blödsinn sind, wissen wohl alle, nur eben jene sensationsgierigen Pressevertreter nicht. Dem unbeteiligten Einwohner von Chemnitz übermittelte man die Botschaft, dass 2.000 nordische Vandalen anreisen und ein Krieg bevorstehen würden. Bei der Ankunft am Chemnitzer Hauptbahnhof konnte sehr viel Polizei wahrgenommen werden, die den Fußmarsch der Rostocker Fans, welche zumeist mit einem Sonderzug anreisen sollten, vorbereiteten. Man schien sich auf eine Horde Psychopathen, nicht aber auf Fußballfans, vorzubereiten. Absperrgitter, Uniformierte mit Schlagstöckern und etwaige Gerätschaften standen parat, um zirka 1.000 Sonderzugfahrer und einige, die mit anderen Zügen kamen, in einem Polizeikessel gepfercht zum Stadion zu begleiten. 

Bis auf eine Festnahme wegen Beamtenbeleidigung und zwei, drei kleine Vorfälle im Stadionumfeld blieb es am Samstagnachmittag überaus ruhig. Nun gibt es zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder hatte das martialische Polizeiaufgebot samt kerniger BFE-Einheit dafür gesorgt, dass es friedlich blieb. Oder aber die Rostocker Fans haben mehr Menschenverstand als angenommen und benehmen sich doch nicht wie völlig gestörte ultraharte Fußballgewaltverbrecher. Auch die spätere Abreise der Rostocker Anhängerschaft verlief völlig ruhig. Ein klares Indiz dafür: Etliche Polizisten hatten die Helme abgenommen.

Dass man jedoch das Ganze nicht ins Lächerliche ziehen sollte, ist auch klar. Durchaus herrschte eine angespannte Atmosphäre. Ein Nordost-Duell zwischen dem Chemnitzer FC und dem FC Hansa Rostock birgt in der Tat eine Portion Brisanz. Allerdings handelte es ich um eine typische Atmosphäre im Rahmen eines knackigen Fußballspiels, wie sie überall in Deutschland zu spüren ist. Zu spüren war im Fall Chemnitzer FC eine weitere Sache: Die zahlreichen in den letzten Monaten ausgesprochenen Stadionverbote. Wenn bei einer eh nicht allzu großen Fangruppe schätzungsweise 50 bis 70 himmelblaue Jungs draußen bleiben müssen, macht sich das durchaus im Stadion bemerkbar. Beim Spiel gegen Rostock waren es nur noch rund 150 bis 200 CFC-Fans, die hinter dem Tor beim Großteil der Gesänge mitmachten. So war die Stimmung im Stadion durchaus in Ordnung, aber eben kein Highlight.

Wirklich laut wurde es bei Wechselgesängen oder echten Gassenhauern, als das gesamte Chemnitzer Publikum mit einstimmte. Über das ganze Spiel hinweg hatten es jedoch die 150 bis 200 aktiven CFC-Fans gegen den proppenvollen Gästeblock schon schwer. Zumal Hansa Rostock zu Gast war. Was nicht heißen soll, dass stimmungstechnisch die Latte sehr hoch gelegt wurde. Häufig bekam man bei Auswärtsspielen des FC Hansa aufgrund der genialen Stimmung den Mund nicht zu. Lautstärke und Mitmachquote liegen in der Regel weit, sehr weit über dem landesweiten Schnitt. In Chemnitz war es dieses Mal nicht ganz so. Zwar war auch dort die Mitmachquote lange Zeit top, doch nahm diese im Verlauf des zweiten Spielabschnitts deutlich ab. Zu überzeugen wussten in der ersten Halbzeit die Hüpfeinlagen. Die drei Anpeitscher, zwei davon mit einem Megafon, taten alles, um dauerhaft für brachiale Stimmung zu sorgen, doch dieses Mal schien der Mob ein wenig schwerfällig. Am Ende der Partie wurde noch ein wenig am Zaun gerüttelt, was sofort die Polizei und Security auf den Plan rief, doch letztendlich ging alles friedlich über die Bühne. Hingucker des Tages war ganz klar ein Gästefan im Rollstuhl, der eine Sturmhaube in Vereinsfarben über die Kopflehne gestülpt hatte, und die ganze Zeit über mitklatschte und mitsang.

Nur bedingt ein Hingucker war der sportliche Auftritt des FC Hansa Rostock. Bereits zum zweiten Mal im neuen Jahr ging ein Spiel verloren. Nach der 0:2-Niederlage gegen den SC Preußen Münster ging nun auch das Auswärtsmatch im Stadion an der Gellertstraße mit 1:2 in die Hose. Wenig passierte in der ersten Halbzeit, folgerichtig ging es mit einem 0:0 in die Kabine. Furios startete dagegen die zweite Halbzeit, nur drei Minuten nach dem Pausentee machte Weilandt nach einer Ecke die Rostocker Führung klar. Frisch gingen nun die Hanseaten zu Werke und kamen zu weiteren Möglichkeiten.

Nach rund einer Stunde kamen die Hausherren jedoch wieder besser ins Spiel. Nach fetter Möglichkeit in der 63. Minute schließlich der Ausgleich zum 1:1 von Förster in der 69. Minute. Bitter aus Gästesicht das was vier Minuten später geschah. Unglückliches Handspiel im Strafraum, Strafstoß für Chemnitz, der von Anton Fink zum 2:1 verwandelt wurde. Als in der 84. Minute der Rostocker Spieler Alexandre Noel Mendy mit Gelb-Rot vom Platz musste, waren für die Gäste alle Messen gelesen. Jegliches Aufbäumen brachte nichts mehr ein, mit leeren Händen musste die Heimreise gen Ostseeküste angetreten werden. Ganz klar, kommende Woche müssen gegen Schlusslicht Darmstadt 98 drei Punkte eingefahren werden!

Bericht: in Zusammenarbeit mit Marco Bertram

Fotos: UiSF, Heiko Neubert, Keili, Ulf Lange

> zur turus-Fotostrecke: Chemnitzer FC

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

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