Rot-Weiß Erfurt vs. Hansa Rostock: Wenn das Spiel zur Nebensache wird

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Schauplatz 3. Liga. Der FC Hansa Rostock zu Gast bei Rot-Weiß Erfurt. Dieses Duell hatte es seit dem 19. April 1991 nur einmal gegeben. Am zweiten Spieltag der Drittligasaison 2010/11 kam es im Erfurter Steigerwaldstadion vor 12.519 Zuschauern zum mit Spannung erwarteten Aufeinandertreffen der einstigen DDR-Oberligisten. Dank eines verwandelten Elfmeters konnte Rostock mit 1:0 die Oberhand halten. Am vergangenen Samstag in Erfurt nun das Wiedersehen. Vor Ort rund 2.300 Gästefans. Nicht alle von ihnen aus Mecklenburg-Vorpommern, einige reisten aus dem gesamten Bundesgebiet an. Auch aus Thüringen selbst hatten sich Hansa-Fans auf den Weg nach Erfurt gemacht.

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Rot-Weiß ErfurtSchauplatz 3. Liga. Der F.C. Hansa Rostock zu Gast bei Rot-Weiß Erfurt. Dieses Duell hatte es seit dem 19. April 1991 nur einmal gegeben. Am zweiten Spieltag der Drittligasaison 2010/11 kam es im Erfurter Steigerwaldstadion vor 12.519 Zuschauern zum mit Spannung erwarteten Aufeinandertreffen der einstigen DDR-Oberligisten. Dank eines verwandelten Elfmeters konnte Rostock mit 1:0 die Oberhand halten. Am vergangenen Samstag in Erfurt nun das Wiedersehen. Vor Ort rund 2.300 Gästefans. Nicht alle von ihnen aus Mecklenburg-Vorpommern, einige reisten aus dem gesamten Bundesgebiet an. Auch aus Thüringen selbst hatten sich Hansa-Fans auf den Weg nach Erfurt gemacht.

Teilweise hatten diese Gruppenfahrten organisiert, um nicht allein anreisen zu müssen. So auch die turus.net-Autorin, die von Gera aus mit rund 20 Hansa-Fans unterwegs war. Vor dem Erfurter Steigerwaldstadion kam es zu Zwischenfällen, bei denen laut Pressemeldungen 46 Personen (größtenteils auf Grund von Pfefferspray) verletzt worden sind. Über den genauen Hergang der Auseinandersetzungen am Einlassbereich gibt es verschiedene Ansichten und Meldungen. 

Mit Sicherheit kann eine einzelne Person nicht den kompletten Überblick haben, dennoch sei an dieser Stelle ihr Augenzeugenbericht hineingestellt:

Erfurt, 24. November 2012.

Hansa RostockFür uns Thüringer Hansafans sollte dieses Spiel ein ganz besonderes darstellen. Es war sozusagen ein Heimspiel und so zeigten auch Leute Interesse, die sonst vor allem aufgrund der Entfernung den Weg zu Hansa scheuen. Die Organisatoren der Gruppe gaben sich die größte Mühe, das Ganze für die „Neulinge“ in Sachen Zugfahrt so angenehm und problemlos wie möglich zu gestalten. Es wurde sich um Karten gekümmert, die Verbindung wurden rausgesucht und nötige Hinweise zur eigenen Sicherheit verteilt, sodass sich diese nur noch in den Zug setzen mussten und die Fahrt und das Spiel genießen sollten. Es sollte Werbung werden. Werbung für die Zugfahrten zu dem Verein, der uns alle ein Stück weit verbindet.

Um 9:22 Uhr hieß es „Leinen los“ zur für uns kürzesten Auswärtsfahrt der Saison. Bereits auf dem kurzen Stück zum eigentlichen Treffpunkt in Gera wurden die ersten Mitfahrer begrüßt und bei Abfahrt in Gera konnte man zirka 20 Leute zählen. Im Zug verließen die mitfahrenden Polizisten nach einiger Zeit ihren Beobachtungsposten, weil die Gruppe wohl in der Tat sehr friedlich erschien.

Beim Erreichen der Landeshauptstadt folgte dann das mittlerweile übliche Spiel. Da man sich als Fußballfan in Deutschland nicht mehr wirklich frei bewegen darf, wurden sämtliche Utensilien, die verräterische Wirkung haben könnten, versteckt. Der Weg vom Gleis in Richtung Bahnhofsvorplatz wurde angetreten. Dort angekommen ging es zu einem Imbiss. Anschließend sollte es ohne Umwege Richtung Sonderzug-Gleis gehen. Der Zugang zum Bahnhof wurde uns jedoch aus „Sicherheitsgründen“ verwehrt. Stattdessen wurden wir auf die Unterführung auf der rechten Seite des Bahnhofs verwiesen. Dort wurde direkt vor uns eine Sperre errichtet und ein dortiger Polizist meinte: „Hier kommt jetzt keiner mehr durch, ihr geht bitte durch den Haupteingang“. Erst nach dem Zeigen der Ausweise, Hansa-Mitgliedsausweise und Schals durften wir endlich durch. 

Allerdings baute sich alle zwei Meter eine neue Kette vor uns auf. Eine Hand wusste anscheinend nicht, was die andere tat und so musste ein Polizist durch die halbe Unterführung „Ey 23! Das sind Hansafans, haut ab da jetzt!“ brüllen. Man musste auch gar nicht mehr lange warten, bis vom Gleis ein lautes „Hurra Hurra, die Rostocker sind da“ schallte und die ersten Sonderzugfahrer in die Unterführung strömten. Nach etlichen Minuten des Wartens, ein paar Pyro-Einlagen und mächtig lauten Gesängen, die bei den Neulingen echtes Gänsehaut-Feeling erzeugten, ging es dann auch ohne weitere Probleme in Richtung Stadion.

SteigerwaldstadionOhne Probleme? Noch! Denn diese gab es dann direkt vor dem Stadion. Aus irgendeinem Grund – für viele der hinteren Leute nicht sichtbar – wurde vor den eigentlichen Kontrollen eine zweite Absperrung errichtet. Statt der 20 Personen, die sonst nebeneinander auf dem Weg gehen konnten, waren es plötzlich maximal drei. Es kam, wie es in solchen Situationen immer wieder kommt. Von hinten wurde massiv gedrängelt und geschoben und die Fans in den vorderen Reihen wussten nicht mehr wohin. Ob einige Fans solche Situationen bewusst ausnutzen, sei an dieser Stelle offen gelassen. In Erfurt war auf Grund des Drucks von hinten die Absperrung fix durchbrochen. Während sich die einen nun fragten: „Wo sollten die vorderen Reihen auch hin?“, sprach man an anderer Stelle von: „Rostocker Randalierer stürmten den Einlass.“ 

Die Polizei setzte nun flächendeckend Pfefferspray ein. Teilweise wurde aus kurzer Distanz direkt in die Gesichter gesprüht. Ob in die Gesichter der von der Gewalt nicht Abgeneigten oder in die Gesichter von völlig Unbeteiligten – dies spielte scheinbar keine wirkliche Rolle. Fakt ist: Die Lage schaukelte sich – nicht zuletzt auf Grund des massiven Pfefferspray-Einsatzes – immer mehr auf. Die Konsequenz war letztendlich der Einsatz des Wasserwerfers, der übrigens schon zu der Zeit, als laut Polizei alles noch friedlich war, schussbereit und ausgerichtet bereitstand. Beim Versuch, die Gefahrenzone zu verlassen, bekam ich dann den ersten Strahl des Tages frontal ins Gesicht ab. In diesem Moment benommen und nichts mehr sehen könnend, wurde ich von einem anderen Fan aus der Schusslinie gebracht. Ganz klar: Dieser hatte sich in diesem Moment selbst in akute Gefahr gebracht.

PolizeiWie heikel die Gesamtsituation war, zeigte sich, als Personen gezielt in eine Ecke gedrängt wurde, in der sich bereits teilweise Pfefferspray-Opfer oder besorgte Eltern mit ihren kleinen Kindern befanden. Auf Personen (vom Ultra bis zum Normalfan), die weder nach links, noch nach rechts konnten, wurde von Seiten der Polizei nochmals nachgelegt. Erst nachdem sich die Lage etwas beruhigt hatte, konnte schließlich das Stadion betreten werden. Allerdings nicht bevor ohne vorausgehender Begründung oder Erklärung die Ausweise kontrolliert wurden. Vor Ort im Stadion kümmerten sich Mitarbeiter des Erfurter Fanprojekts und Sanitäter um die Verletzten.

Ach ja, irgendwie gab es dann irgendwann auch ein Fußballspiel, dem eine Choreo mit dem Titel „Zähne zeigen“ vorausging. Das nicht wirklich ansehenswerte Spiel ging 1:1 aus. Vor 9.058 Zuschauern hatte Weilandt in der 25. Minute die Kogge mit 1:0 in Front gebracht. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit erzielte Pfingsten-Reddig für Erfurt den Ausgleichstreffer per Foulelfmeter. 

PolizeiNach Abpfiff wurde schnell der Weg aus dem Stadion gesucht. Die Hoffnung: Vor dem großen Trubel am Bahnhof zu sein. Daraus wurde jedoch nichts. Am Bahnhof selbst stellte sich dann heraus, dass von unserem planmäßigen Gleis der Sonderzug fahren sollte. Nachdem herausgefunden wurde, auf welches Gleis wir nun mussten, sollte es also auf dem schnellsten Weg dorthin gehen. Doch wieder einmal wurde die Rechnung ohne die Staatsmacht gemacht, die uns teilweise gewaltsam den Zugang zum Gleis verweigerte, wobei beim Gerangel auch der Spruch „Lass los oder ich schlag dir die Zähne ein“ aus dem Mund eines Polizisten zu vernehmen war. Zur Hilfe kam ein Mitglied des Erfurter Fanprojekts, der vergeblich versuchte mit den Polizisten zu reden. Kurz darauf dann der vorübergehende Höhepunkt, als ein ziviler Beamter an den Ort des Geschehens kam, uns mitteilte, dass er gerufen wurde, um uns zu helfen und im gleichen Atemzug dann meinte, dass er nichts für uns tun könne.

Nach mehr oder weniger sinnvollen Diskussionen sollte es dann doch in  Richtung des für unsere Thüringer Gruppe falschen Gleises gehen. Dort gab es einige Festnahmen, die wiederum zum Aufeinandertreffen von Polizei und Fans führte. Inmitten der Tumulte wurde ein Reporter mit Motorradhelm von der Polizei beschützt, so dass er seine Aufnahmen anfertigen konnte. Gewiss ein skurriler Anblick mit einem sehr faden Beigeschmack. Nachdem der Rostocker Sonderzug abgefahren war, durften wir wieder unsere Grundrechte wahrnehmen.

Was es nun zu tun gab? Auf den ganzen Schock ein Kaltgetränk! Im Supermarkt des Bahnhofs konnten jedoch sofort die Späher der heimischen Fanszene ausgemacht werden. Rasch verteilte sich die Thüringer Hansa-Fans in den unterschiedlichsten Ecke des Bahnhofs. Das war auch gut so, denn eine Minute später stürmte eine Gruppe der Rot-Weißen den Supermarkt, um diesen nach den vermeintlichen Feinden zu durchkämmen. Mit einem gebrüllten „Nie mehr Israel!“ und „Juden raus!“ zog die Gruppe schließlich von dannen und löste nicht nur bei den mittlerweile komplett zivil gekleideten Hansa-Fans Kopfschütteln aus.

Fazit des Tages? Im Gespräch mit den Neulingen zeigte sich Fassungslosigkeit aber auch die Erkenntnis, dass nicht immer alles stimmt, was es in den zahlreichen Medien verbreitet wird. Das einzig Gute an diesem turbulenten Tag: Die Thüringer Hansa-Fangruppe wurde auf Grund der Vorkommnisse weiter gefestigt. Gute Organisation und Zusammenhalt – das A & O bei einer gemeinsamen Fußballtour!

Anmerkung: Archivfotos (die aktuellen Aufnahmen gingen bei den Zwischenfällen verloren)

Fotos: Ric, P.Schoedler, M.Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Rot-Weiß Erfurt

> zur turus-Fotostrecke: FC Hansa Rostock

 

 

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