Westalgisches Wiedersehen nach 26 Jahren: Tebe gegen SV Blau Weiss Berlin

MB Updated

Auf zum Derby! Mehr West-Berlin geht nicht. Mit diesen Worten warb Tennis Borussia Berlin für das Landespokalspiel gegen den SV Blau Weiss. Als Aufmacherbild die trist wirkende Stadtautobahn an ICC und Funkturm. Irgendwann in den 80ern. Miefig und zugleich melancholisch anmutend. Schnell werden beim Anblick des Fotos die Erinnerungen aus der Zeit vor dem Mauerfall wach. Und ja: Das Schicksal der einstigen Bundesligisten Tebe und Blau-Weiß 90 wird einem nochmals vor Augen geführt. Zuletzt trafen beide Klubs am 11. Mai 1986 aufeinander – und zwar am letzten Spieltag der 2. Bundesligasaison 1985/86.

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FlutlichtAuf zum Derby! Mehr West-Berlin geht nicht. Mit diesen Worten warb Tennis Borussia Berlin für das Landespokalspiel gegen den SV Blau Weiss. Als Aufmacherbild die trist wirkende Stadtautobahn an ICC und Funkturm. Irgendwann in den 80ern. Miefig und zugleich melancholisch anmutend. Schnell werden beim Anblick des Fotos die Erinnerungen aus der Zeit vor dem Mauerfall wach. Und ja: Das Schicksal der einstigen Bundesligisten Tebe und Blau-Weiß 90 wird einem nochmals vor Augen geführt. Zuletzt trafen beide Klubs am 11. Mai 1986 aufeinander – und zwar am letzten Spieltag der 2. Bundesligasaison 1985/86.

Tebe - Blau Weiss BerlinGenau genommen handelte es sich am Freitagabend, 7. September 2012, um gar kein Wiedersehen, denn die Sportliche Vereinigung Blau-Weiß 1890 e.V. musste am 28. Juni 1992 aufgrund des Lizenzentzuges Konkurs anmelden. Die Schulden waren für die Oberliga schlicht zu hoch, Hilfe wurde dem Verein nicht zuteil. Nicht wenige waren damals der Meinung, man habe Blau-Weiß 90 einfach auflaufen lassen. Sei wie es sei, der Berliner Traditionsverein wurde aufgelöst. Die Traditionslinie wurde jedoch nahtlos weitergeführt, denn bereits am 29. Juni 1992 wurde der SV Blau Weiss Berlin ins Leben gerufen. Ganz tief unten musste sportlich wieder angefangen werden. Von der Kreisliga C kletterte der SV Blau Weiss immerhin hinauf in die Berliner Landesliga, stieg dann jedoch wieder in die Bezirksliga ab. Das große Wunder blieb aus.

OlympiastadionZurück zur Spielzeit 1985/86. Als Tabellenzweiter gelang den Blau-Weißen der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Und nicht nur das! Die Stadtrivalen Tennis Borussia und Hertha BSC stiegen in die Oberliga ab. Blau-Weiß 90 sportlich die Nummer eins in Westberlin. Während Tebe und Hertha in der Saison 1986/87 zu Rapide Wedding, Tasmania Neukölln, Rudow 1888 und zum 1. Traber FC Mariendorf tingeln mussten, durfte Blau-Weiß 90 die Bundesliga-Platzhirsche FC Bayern München, Hamburger SV, FC Schalke 04, 1. FC Köln und SV Werder Bremen empfangen. Zu holen war jedoch nichts. Gerade einmal drei Siege konnten eingefahren werden, 19-mal ging Blau-Weiß als Verlierer vom Platz. In der Berliner Oberligasaison 1986/87 gingen Hertha und Tebe indes zwar gut zu Werke, doch nur für die alte Dame war ein Plätzchen in der Aufstiegsrunde frei. Am Rande: In jener kam es für Hertha BSC knüppeldick. Eine 1:2-Niederlage gegen die SpVgg Erkenschwick war mit entscheidend dafür, dass Hertha nochmal eine Runde in der Drittklassigkeit drehen musste. Noch ein Anekdötchen? In der Oberligasaison 1987/88 hatte Türkiyemspor Berlin mit 1.963 einen höheren Zuschauerschnitt als Hertha BSC (1.871). Apropos: Zu Tebe kamen damals im Schnitt 702 Fans ins Mommsenstadion.

TebeZurück zum Duell Tebe gegen Blau-Weiß 90. Rund 22.000 Zuschauer wollten am 11. Mai 1986 die Zweitligapartie zwischen BW90 und Tennis Borussia sehen. In der zweiten Halbzeit stand Holger Gehrke für Blau-Weiß im Tor, bei Tebe war kein geringerer als Eckhard  Krautzun der Trainer. Die Borussen konnten das Spiel mit 2:1 für sich entscheiden, allerdings hatte es sportlich keinen Wert mehr. Das Hinspiel am 30. November 1985 konnte Blau-Weiß 90 dagegen locker mit 4:0 gewinnen. 

In der Folgezeit ging es nicht nur bei Blau-Weiß 90 drunter und drüber, auch bei Tennis Borussia Berlin geriet die Angelegenheit arg in Schieflage. Große Träume. 2. Bundesliga in den 90er Jahren. Tebe 2000. Göttinger Gruppe. Finanzielle Probleme. Zuletzt ging es von der Regionalliga hinunter in die Oberliga und Berlin-Liga. In dieser wurde 2011/12 ein Neubeginn in Angriff genommen. Ein Abstieg in die Kreisliga blieb Tebe immerhin erspart. 

Tebe BW BerlinBerlin-Liga (Verbandsliga) gegen Bezirksliga. Tebe ging am Freitagabend als klarer Favorit ins Rennen, wenn gleich mit Michael Fuß (zuvor viele Jahre bei Tebe unter Vertrag) ein Hochkaräter in den Reihen des SV Blau Weiss stand. Bei trüben Witterungsbedingungen fanden sich leider doch nicht so viele Zuschauer ein wie vielleicht erhofft. Immerhin: Das Wetter war ähnlich wie auf dem Ankündigungsbild. Dunkle Wolken zogen auf. Im Hintergrund glimmte der Lange Lulatsch (Berliner Funkturm). Nieselregen setzte ein. Als es später dunkel wurde, schien es ein Novemberabend zu sein.

MotorTrotz traurigem Wetter: Es wurde ein Abend, der einen Hauch Westberliner Fußballatmosphäre versprühte. Rund 40 Anhänger, die von der Sitzplatztribüne aus das Gästeteam lautstark unterstützten. „Motor und Blau Weiss Berlin!“, ertönte es. „FVM und BW90“, stand auf einem Banner geschrieben. Ein Eber und ein Bär, in der Mitte ein Fußball. Die Fans von Blau Weiss und Motor Eberswalde (seit 2011 FV Preussen Eberswalde) verbindet seit vielen Jahren eine enge Freundschaft. So standen sie oben auf der Tribüne zusammen. Die älteren mit BW90-Trikots aus den 80ern und Trommel, ein paar jüngere mit grün-weiß-schwarzem Schal. Mit Frau, mit Nachwuchs, mit reichlich Bier. Eine etwas kurios anmutende Mischung.

Trommler„Wir sind Blau-Weisse – und ihr nicht!“, „Hurra, hurra, Blau Weiss ist wieder da!“, „Ihr seid Zecken, asoziale Zecken...“, „Lila-weiße Charlottenburger Scheiße!“, „Süd-, Süd-, Süd-Berlin!“, „Hier regiert Blau Weiss Berlin!“. Mag putzig klingen, doch manch einem Gästefans war es durchaus ernst. 

In der achten Minute hatten die Blau-Weissen eine erste gute Chance, doch der Ball ging weiter über das Tor. Die Möglichkeit, die Partie spannend zu gestalten, hatten die Gäste jedoch nicht. Zu groß war der Klassenunterschied. Bereits in der 14. Minute erzielte Dennis Vogler das 1:0 für den Favoriten in lila-weiß. In der 23. Minute dann die große Chance zum Ausgleich. Eine Ecke wurde von rechts gut reingebracht, doch der anschließende Kopfball landete zu unplatziert in den Armen des Tebe-Keepers. Der SV Blau Weiss versuchte sein bestes, musste jedoch vor der Pause noch drei Gegentore hinnehmen. Cenk Akgün, Benjamin Hendschke (ein echter Hammerschuss) und nochmals Cenk Akgün ließen am Weiterkommen keine Zweifel aufkommen.

HooligänseIn der Pause wechselten die meisten Tebe-Fans ihren Standort. Samt Beflaggung wurde von der Gegengerade auf die überdachte Sitzplatztribüne umgezogen. Rund 30 Unverwüstliche blieben indes drüben im Regen stehen. An beiden Ecken der altehrwürdigen Tribüne saßen bzw. standen nun jeweils die Blau Weissen und Tebe-Fans. Rührige Szenen beim Gästeanhang. „Mensch HDS, du hier. Nach 25 Jahren...“ Umarmungen. Noch ein Bierchen. Fußballmuff der Zeit um den Mauerfall. „Bambule, Randale...“, rief jemand in Richtung Spielfeld. Und in Richtung Köpenick lallte jemand:  „Aus dem Ars**loch einer Kuh stammt der 1. FCU...“ Meine Güte, Gesangrepertoire längst vergessener Zeiten. Und ach ja: „Kann mir mal einer sagen, wo Werner geblieben ist?“, fragte eine Frau in die Runde. Der alte Trommler war verschwunden. Wahrscheinlich hatte er im Stadioncasino ein kleines Stelldichein.

bengaloBei Weltuntergangsstimmung ging es nach dem Pausentee weiter. Eine kurze Leerphase. Dann legte Tebe kräftig nach. 63. Minute wieder ein Treffer von Cenk Akgün. 64. Minute ein Lupfer zum 6:0 von Diego Tolentino. 65. Minute ein Elfmeter, der von Daniel Bognartz sicher zum 7:0 verwandelt wurde. Der Stadionsprecher hatte jetzt gut zu tun. Und immer wieder das eingespielte „Sie sind der Meinung, das war ... Spitze!“ Mehr West-Berlin ging nun wirklich nicht mehr, zumal das Stadion im Groben noch so aussieht wie zur Zeit der Berliner Mauer. Wieder ein Pfiff. Wieder ein Elfmeter für Tebe. 8:0? Nein, dieses Mal wurde der Ball an den rechten Pfosten gelenkt. 

PyrotechnikAber jetzt bitte ein Tor von Michael Fuß, so der Wunsch der Tebe-Fans. Der einstige Publikumsliebling sollte das Ehrentörchen für Blau Weiss schießen. Das tat er dann auch prompt. In der 75. Minute konnte das Lied „Micha... Micha...“ eingespielt werden. 

Anschließend tat sich auf dem Rasen nicht mehr viel. Fast noch das 2:7 aus Sicht des Bezirksligisten, doch letztendlich blieb Michas Treffer der letzte an dem denkwürdigen Abend vor knapp 400 Zuschauern. Ein wenig Pyrotechnik in Form von Rauch und zwei Bengalos rundete die Sache nach Abpfiff ab...

> zur turus-Fotostrecke: Tennis Borussia gegen SV Blau Weiss Berlin

 

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