1. FC Union Berlin: mehr als Kult / ein Rückblick - Bilder

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Vor 103 Jahren hevorgegangen aus dem FC Olympia Oberschöneweide hat sich der FC Union Berlin als feste Säule des Haupstadtfußballs etabliert. Er gilt längst als Kultverein und das nicht nur in Berlin, sondern auch bundesweit. Mit einem besonderen 20 Jahres-Rückblick widmet sich das turus|Magazin nun dem Verein, der mehr als nur die Herzen der Berliner Fußballfans höher schlagen lässt. Unser Berlin-Redakteur war in den vergangenen 20 Jahren immer hautnah dabei - ob bei Höhen oder Tiefen des FC (Eisern) Union Berlin:

Vor 103 Jahren hevorgegangen aus dem FC Olympia Oberschöneweide hat sich der 1. FC Union Berlin als feste Säule des Haupstadtfußballs etabliert. Er gilt längst als Kultverein und das nicht nur in Berlin, sondern auch bundesweit. Mit einem besonderen 20 Jahres-Rückblick widmet sich das turus|Magazin nun dem Verein, der mehr als nur die Herzen der Berliner Fußballfans höher schlagen lässt. Unser Berlin-Redakteur war in den vergangenen 20 Jahren immer hautnah dabei - ob bei Höhen oder Tiefen des 1. FC (Eisern) Union Berlin:

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Als ich Ende der 80er Jahre mit meinen Eltern zu Bekannten nach Klingenthal im Vogtland fuhr und ich von der Tochter der Bekannten mit zu ihren Kumpels geschleift wurde, fragten mich die dortigen Gören stets: „Union oder BFC?“ Mit 14 hatte ich nicht so großes Interesse am Fußball und ich wusste nicht, worauf diese Frage wirklich hinauslaufen könnte. Meine Eltern hatten mir als Kind und Jugendlicher verboten zu den Union-Spielen zu gehen. Sie befürchteten, dass ich in Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht – sprich Volkspolizei - hineingezogen werden könnte. Ein paar Schulkameraden an der Polytechnischen Oberschule gingen regelmäßig zu den Spielen von Union und BFC. Am Montag gab es auf dem Schulhof und beim Sportunterricht zwischen den Stippis immer regelmäßig Keilerei. Ein Kumpel brachte immer einen endlos langen selbst gestrickten rot-weißen Unionschal mit und provozierte damit Lehrer und BFC-Anhänger. Im Vogtland beantworte ich damals die Frage, ob BFC oder Union, aus dem Bauch heraus: „Union“. Das war gut so, denn so wurde ich doch ganz gut Freund mit der jungen Klingenthaler Clique, die Wismut Aue fest die Daumen drückte. Union war in deren Augen das geringere Übel aus Ostberlin.
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Bittere Relegations-Erfahrungen in den 1990er Jahren

Zum ersten Spiel in die Alte Försterei ging ich im Juni 1992. Relegation gegen den VfL Wolfsburg. Es ging um den Aufstieg in die 2. Bundesliga, doch der 1. FC Union hatte zuvor bereits Spiele vergeigt, so blieb wenig Hoffnung auf einen schönen Ausgang. In der Gruppe 2 der Aufstiegsrunde stand der 1. FC Union hinter Wolfsburg, dem FSV Zwickau und dem FC Berlin auf dem letzten Platz. So fanden auch nur rund 3.500 Fans den Weg ins Stadion im Berliner Stadtbezirk Köpenick. Die paar Wolfsburger Fans mit ihrer Trommel standen mitten unter den Unionern auf der Steh-Gegengerade. Auch ein paar Hooligans des FC Berlin (BFC Dynamo) schauten im Stadion vorbei. Darunter ein paar mir bekannte Gesichter aus POS-Zeiten. In der damaligen Union-Elf waren Spieler auf dem Platz, die später groß raus kamen: Martin Pieckenhagen, Marko Rehmer, Ingo Schneider, André Hofschneider... Die Partie gegen die Wölfe mit Sigi Reich an der Spitze ging glatt verloren.

Ein Jahr später sah die Angelegenheit schon ganz anders aus. Die Relegation verlief gut und im entscheidenden Spiel gegen den Bischofswerdaer FV 08 konnte mit einem Sieg alles klar gemacht werden. Ein Tag nach dem DFB-Pokalfinale zwischen den Amateuren von Hertha BSC und TSV Bayer 04 Leverkusen fand innerhalb eines Wochenendes das zweite sportliche Highlight in der Hauptstadt statt. Mit einem guten Freund stand ich auf der Seite des „Zuckertors“. Ich glaube, nie mehr habe ich so gedrängt im Stadion Alte Försterei gestanden wie an jenem Nachmittag. Es war eng, saueng, ja richtig beängstigend eng. Die Stimmung war phantastisch. Die Anspannung war riesig. Groß war die Angst, dass Bischofswerda irgendwie ein Kontertor gelingen würde. Union rannte an, doch es fiel einfach nicht der Siegtreffer. Die Erlösung kam um die 80. Minute herum. 1:0 für die Eisernen. Das Stadion stand Kopf. Sektflaschen wurden im Stadion geöffnet. Gigantische Böller am Spielfeldrand wurden zu früh gezündet, das Spielfeld war komplett eingenebelt. Mit Absprache der Spieler aus Bischofswerda wurde das Spiel sogar ein paar Augenblicke früher abgepfiffen. Die Party ging los.

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Union Berlin und TeBe Berlin - Beginn der Rivalität
Um so größer wenig später die Ernüchterung, als der DFB dem 1. FC Union wegen einer falschen Bankbürgschaft nicht die Lizenz für die 2. Bundesliga erteilte. Statt den Köpenickern stieg der Charlottenburger Club Tennis Borussia auf. Wut und Ärger waren gigantisch. Manch einer vermutete eine Verschwörung. TeBe wurde zum Hauptfeindbild erklärt. Ein Jahr später schaffte es der 1. FC Union erst gar nicht in die Relegation. 1994 stieg der FSV Zwickau vor dem BSV Brandenburg und Energie Cottbus auf. Große Hoffnung wurde in die neu geschaffene Regionalliga Nordost gesetzt. Der erste Platz versprach den direkten Aufstieg. Sportlich lief es nicht so schlecht, aber eben auch nicht überragend. Die Zuschauerzahlen bewegten sich auch nicht in professionellen Größenordnungen. Es war die Zeit, als ich endgültig nach Berlin zurückkehrte und häufig die Spiele an der Alten Försterei besuchte.

Meist bewegten sich die Zuschauerzahlen um die 2.000 herum. Gegen den Erzfeind BFC Dynamo (damals für ein paar Jahre in FC Berlin umbenannt) kamen 3.500 Fans. Sportlicher und Besuchertechnischer Tiefpunkt war für mich eindeutig das Spiel im Winter 1994/95 gegen Hertha Zehlendorf, das unter der Woche in der Dämmerung mit 0:1 kläglich verloren ging. Gerade einmal 950 Zuschauer fanden noch den Weg ins Stadion. Tiefer ging es nicht mehr. Nach dem Spiel belagerten aufgebrachte Anhänger die Umkleidekabine. Der damalige Präsident hielt flehend unter Polizeischutz eine Ansprache an die Fans.
Zum Saisonschluss belegte der 1. FC Union den 3. Platz hinter dem FC Carl Zeiss Jena und dem FC Sachsen Leipzig. Trösten konnte man sich allein mit der Tatsache, dass der DFB sowieso keine Lizenz für die 2. Bundesliga erteilt hätte.

In der darauffolgenden Saison 1995/96 belegten die Unioner den 2. Platz hinter Tennis Borussia. TeBe musste damals in der Relegation gegen den VfB Oldenburg spielen. Kleiner Trost für die Union-Fans war, dass TeBe im Rückspiel 1:2 n.V. gegen Oldenburg verlor. Richtig prekär wurde es in der Saison 1996/97. Sportlich betrachtet lag Union am Ende der Spielrunde satte 20 Punkte hinter dem Tabellenführer und späteren Aufsteiger Energie Cottbus und finanziell betrachtet war Union im Februar 1997 so gut wie bankrott. Der Konkurs schien nicht mehr aufhaltbar. 3.000 Union-Fans zogen damals auf der „Rettet-Union-Demonstration“ zum Brandenburger Tor. Ein Hoffnungsschimmer tauchte am Horizont auf. Nike stieg als Sponor ein, ein Jahr später folgte Kinowelt. Der Verein konnte in allerletzter Minute vor dem finanziellen Totalkollaps gerettet werden. Die Regionalligasaison 1998/99 wurde mit einem 6. Platz abgeschlossen.

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Union Berlin - "die Unaufsteigbaren"?
In der Saison 1999/2000 wurde es sportlich betrachtet richtig dramatisch. Souverän wurde Union Berlin Meister der Regionalliga Nordost mit satten 17 Punkten Vorsprung vor dem Dresdner SC. Und dann folgte das Grauen, das dem Verein endgültig den Namen „Die Unaufsteigbaren“ einbrachte. Beide Relegationsspiele gegen den VfL Osnabrück gingen 1:1 aus. Das Elfmeterschießen in Osnabrück ging denkbar knapp mit 7:8 verloren. Doch es blieb ja noch die Hintertür einer weiteren Relegationsgruppe. Gegen den SC Pfullendorf wurde 3:1 gewonnen, doch beim LR Ahlen ging das entscheidende Spiel mit 1:2 verloren. Wieder einmal platzte der Aufstiegstraum. Die Saison 2000/01 sollte den erhofften Erfolg bringen. Da es nur noch die zusammengelegten Regionalligen Nord und Süd gab, fielen lästige Relegationsspiele weg. Mit Georgi Wassilew als Trainer wurde der 1. FC Union Berlin vor dem SV Babelsberg 03 Meister der Regionalliga Nord.

Endlich, endlich, endlich konnte der langersehnte Aufstieg gefeiert werden. Es war eindeutig die schönste Zeit. Denn parallel dazu schaffte es Union sogar ins DFB-Pokalfinale. Eines meiner tollsten Spiele war das Flutlichtspiel im DFB-Pokalviertelfinale gegen den VfL Bochum. Ich saß auf der Pressetribüne. Kollegen diverser westdeutscher Medien telefonierten während des Spiels und sahen Bochum schon als sicheren Sieger. Daraus wurde nichts – in der 90. Minute schoss der 1. FC Union den 1:0-Siegtreffer. Sogar Berliner Journalisten hüpften vor Freude und warfen die Sitzkissen um sich. Im Halbfinale wurde Borussia Mönchengladbach mit 6:4 im Elfmeterschießen besiegt. Erst im Finale im Berliner Olympiastadion unterlag Union Berlin dem Bundesligisten Schalke 04 mit 0:2.

2. Bundesliga, UEFA-Cup und der tiefe Fall
Das erste Zweitligaspiel fühlte sich verdammt gut an. An der Alten Försterei gab es gegen Hannover 96 ein leistungsgerechtes 1:1. Die Saison wurde letztendlich mit einem guten 6. Platz abgeschlossen werden. Eine tolle Abwechslung waren auch die UEFA-Cup-Spiele gegen den FC Haka Valkeakoski (Finnland) und Litex Lowetsch (Bulgarien, die im Jahn-Sportpark vor rund 12.000 Zuschauern ausgetragen wurden. Unvergessen, wie am letzten Spieltag Union gegen den FSV Mainz mit 3:1 gewann und den Mainzern somit den sicher geglaubten Aufstieg verdarben. Die Saison 2002/03 schloss Union mit einem 9. Platz ab und in der Saison 2003/04 rächte sich das Schicksal. Union stieg als Vorletzter ab und die Mainzer stiegen als Tabellendritter in die 1. Bundesliga auf. Wieder Vorletzter wurde der 1. FC Union Berlin auch in der Regionalligasaison 2004/05. Mit gerade einmal 6 Siegen in 36 Spielen ging es abgeschlagen hinab in die Oberliga Nordost-Nord. Auch finanziell wurde es wieder eng. Unter anderem durch die Spendenaktion „Bluten für Union“ konnte der Verein am Leben gehalten werden.

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Die Oberligasaison 2005/06 war sportlich sehr erfolgreich. Union wurde Meister und hatte einen für die 4. Liga sehr hohen Zuschauerschnitt von rund 6.000. Brisant waren die beiden Partien gegen den Erzrivalen BFC Dynamo. Das Hinrundenspiel bei Union ging glatt mit 8:0 vor 14.200 Zuschauern aus. Das Rückrundenspiel beim BFC Dynamo in Hohenschönhausen boykottierten zahlreiche Union-Fans. Für mich völlig unakzeptabel war die Aktion vieler Unioner „Lieber Grillen statt zum Ostberliner Derby zu gehen“. Immerhin doch rund 1.500 Unioner begleiteten ihr Team ins Sportforum, wo insgesamt 6.500 Zuschauer vor Ort waren. Beim Spielstand von 1:1 musste das Spiel abgebrochen werden, da es zu Ausschreitungen kam. Im Nachhinein wurde das Spiel mit 2:0 für Union gewertet. Union stieg so oder so in die Regionalliga auf. Der sportliche Tiefpunkt war überwunden. Denkbar knapp konnte jedoch der wiederholte Abstieg aus der Regionalliga Nord verhindertwerden. Nur Dank der guten Tordifferenz konnte Union die Klasse halten. Richtungsweisend war schließlich die Saison 2007/08.

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3. Liga und Auf.....
Die Qualifikation für die 3. Liga stand auf dem Spiel. Als Tabellenvierter wurde diese Hürde locker genommen. Was folgte war ein grandiose Saison in der vom DFB neu geschaffenen 3. Liga. Während das Stadion Alte Försterei komplett umgebaut wurde und ein Dach bekam, musste Union seine Heimspiele im bei den Fans unbeliebten Jahn-Sportpark austragen. Doch der zuvor gedachte Nachteil war keiner. Union Berlin eilte von Sieg zu Sieg und wird nun letztendlich höchstwahrscheinlich Meister der 3. Liga. Bereits gegen die Spielvereinigung Unterhaching hätte Union alles klar machen können, doch der Tabellenzweite aus der Münchener Vorstadt gewann überraschend mit 1:0. Beim SV Sandhausen kann nun am 3. Mai alles klar gemacht werden.

Fazit: Ich bin zwar kein Union-Fan, doch als gebürtiger Ostberliner drücke ich auch diesem Verein seit nun mehr knapp 20 Jahren die Daumen...

 

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