Walpurgisnacht im Wedding und 1. Mai in Kreuzberg: Mehr Politik, weniger Gewalt

MB Updated
Walpurgisnacht im Wedding und 1. Mai in Kreuzberg: Mehr Politik, weniger Gewalt

WalpurgisnachtWalpurgisnacht in Berlin?! Vor wenigen Jahren war das Konzert auf dem Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain eine Anlaufstelle für all jene, die ein wenig „Bock auf Action und Randale“ hatten. Das Ganze wurde zum Ritual. Pünktlich um 22 Uhr musste die Musik verstummen, die Polizei bereitete sich auf die Räumung der Straßen vor und schon flogen die ersten Steine und Flaschen. Mit einer politischen Veranstaltung hatte das Ganze in den Jahren 2009 bis 2011 nicht mehr wirklich was zu tun. Zudem nahm am 30. April 2011 die verordnete Verlegung des Konzerts vom Boxhagener Platz zum Wismarplatz endgültig die Lust am Ganzen. Konzert im aufgebauten Käfig? 2012 wurde schließlich umgedacht. Weg vom Friedrichshain, hinein in den Wedding. Eine politische Demo statt nur Musik, Saufen und Randale.

WeddingDer Strategiewechsel der linken Szene ging auf. In diesem Jahr kamen rund 3.000 Teilnehmer am Abend des 30. April zusammen, um gegen Verdrängung und soziale Ausgrenzung zu demonstrieren. Vom U-Bahnhof Seestraße aus ging es einige Kilometer quer durch den Kiez bis zum Endpunkt auf der Pankstraße. Dabei blieb es weitgehend friedlich, von kleinen Vorfällen am Rande mal abgesehen. Der obligatorische Einsatz von Pyrotechnik auf einem Balkon und einem Hausdach ließ die Stimmung bei den Demonstranten kurz vor Ende noch einmal ansteigen, an einer Absperrung in der Pankstraße hätte das Ganze noch einmal kippen können, doch beide Seiten blieben diszipliniert, so dass handfeste Auseinandersetzungen ausblieben. Bis auf ein paar Böllerwürfe und eine kleine Sitzblockade nach Ende der Demonstration gab es am Abend im Wedding keine weiteren nennenswerten Zwischenfälle.

SpontandemoEbenso ein Erfolg aus Sicht der linken Aktivisten / Antifa wurde in diesem Jahr die Spontandemo vor der eigentlichen Revolutionären Demonstration in Berlin-Kreuzberg. Wie im vergangenen  Jahr sammelten sich einige hundert Teilnehmer gegen 17 Uhr am Mariannenplatz und zogen anschließend lautstark durch das MyFest. Dabei konnten diese ungehindert die Route ihrer Wahl nehmen. Eine kleine Polizeiabsperrung an einer Nebenstraße war keine Hürde und somit zog der Tross einmal durch das MyFest und sorgte für zahlreiche erstaunte und erschrockene Blicke. Erst nachdem die spontane, nicht angemeldete Demo im Laufschritt den U-Bahnhof Kottbusser Tor erreicht hatte, zeigten die polizeilichen Einsatzkräfte Präsenz und begleiteten Demonstranten bis zum Lausitzer Platz gegenüber des Görlitzer Parks. Dort verteilten sich die Teilnehmer und tauchten in der Masse unter.

PolizeiKurzes Durchatmen. Zeit für ein erfrischendes Getränk, bevor es wenig später mit dem Hauptprogrammpunkt des Abends weiterging. Früher und schwungvoller als im Jahr zuvor setzte sich der Demonstrationszug um 18:45 Uhr in Richtung Kottbusser Damm und Hermannplatz in Bewegung. Gleich zu Beginn wurde an der Spitze Pyrotechnik gezündet, ein beachtliches Aggressionspotential lag in der Luft, doch zu einem plötzlichen massiven Gewaltausbruch wie 2009 und 2010 kam es nicht. Beachtlich war auf jeden Fall wieder die Teilnehmerzahl, zwischenzeitlich nahmen bis zu 15.000 Menschen an der abendlichen Demo teil. Nachdem es zu Flaschen-, Stein- und Böllerwürfen kam, bildete die Polizei mehrere Ketten an den Flanken und stieß immer wieder von den Seiten vor, um einzelne Aktivisten festzunehmen. Zwar ging es hierbei recht rabiat zur Sache, doch zu ausufernden Schlagstockeinsätzen wie zu früheren Zeiten kam es nicht.

1. maiEbenso weitgehend aus blieben Steinhagel und sinnlose Zerstörungswut. Komplett entglaste Fassaden und brennende Autos gehören am 1. Mai zum Glück der Vergangenheit an. Auch aufgrund dieser Tatsache konnte der Demonstrationszug, nachdem er an einigen Punkten zum Stocken kam, den Endpunkt vor der SPD-Zentrale nahe des Halleschen Tors erreichen. Konzentriert wurde zudem in der Demospitze gearbeitet. Lücken wurden immer wieder geschlossen, eine Aufspaltung des Zuges von Seiten der polizeilichen Einsatzkräfte konnte verhindert werden. Kurzum: Zwar wurde an der „Leberwurst“ wieder mächtig gedrückt (die Leberwursttaktik ist seit Ende der 60er Jahre ein beliebtes Mittel der Polizei), doch auspressen ließ sie sich nicht.

PolizeiKomplett friedlich blieb es vor der SPD-Zentrale, etwas anders schaute es nach Beendigung der Demo am U-Bahnhof Hallesches Tor aus. Dort kam es zu Rangeleien mit der Polizei, Steine und Flaschen flogen, gegen 21:45 Uhr blieb eine U-Bahn der Linie 1 stehen. Wenig später wurde der U-Bahnbetrieb komplett eingestellt. Behelmte Beamte riegelten die Eingänge ab und gingen mitunter sehr grob mit der einen oder anderen Person um. Ins Auge fielen hierbei die dunkel gekleideten Einsatzleute einer bayerischen Einheit. Gegen 22:30 beruhigte sich wieder die Situation am Halleschen Tor, der Großteil der Leute zog nun zu Fuß in Richtung Kottbusser Tor und Görlitzer Bahnhof. Dort angekommen, herrschte gegen 23:30 Uhr noch immer an vielen Stellen Partystimmung. Erst im Laufe der Nacht kehrte an und in den zahlreichen Kneipen endgültig Ruhe ein.

Fotos: Tobi K., Marco B.

Video vom 1. Mai 2014 in Berlin-Kreuzberg:

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> zur turus-Fotostrecke: Walpurgisnacht und 1. Mai in Berlin

> Video vom 1. Mai 2014 auf der turus-FB-Seite

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