Ein paar Zentimeter Schnee und Berlins Nahverkehr zeigt sich von übler Seite

MB Updated
Ein paar Zentimeter Schnee und Berlins Nahverkehr zeigt sich von übler Seite

GlättegefahrNein, Berlin versank nicht in kaum bezwingbaren Schneemassen. Jedoch genügten am Montagnachmittag wenige Zentimeter Schnee, um wieder einmal die Schwächen des Städtischen Nahverkehrs in drastischer Form aufzuzeigen. Es ist Ende Januar – also ein Zeitpunkt, an dem durchaus mit Schneefall zu rechnen sein dürfte. Wir sprechen nicht von einer plötzlichen Kalt-Warmfront von Nordwest, die Ende Oktober die deutsche Hauptstadt mit deftigem Blitzeis und einem halben Meter Schnee überrascht. Vielmehr ist die Rede von – na, sagen wir es einfach mal ganz deutlich – stinknormalen Winterwinter mit paar Zentimetern weißer Frau-Holle-Pracht. Und was passierte? BVG und S-Bahn jammerten von schlechter Witterung und versagten an allen Ecken und Kanten.

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S-BahnOh meine Güte, aus einer raschen S-Bahn-Fahrt von Neukölln zur Landsberger Allee wurde eine unschöne Weltreise in pickepacke vollen Linienbussen, U-Bahnen und Straßenbahnen. Ortszeit 17 Uhr. S-Bahnhof Sonnenallee. Wartende Pendler. Niemand wusste, was nun wirklich Stand der Dinge war. Erst hieß es, die Züge fahren aufgrund einer Weichenstörung alle 20 Minuten. Also Abwarten. Dann hieß es plötzlich, der Zugverkehr sei zwischen Neukölln und Treptower Park unterbrochen. Leichter Brechreiz kam auf. Die Wartezeit auf dem Bahnsteig hätte man sich sparen können. Immerhin durfte man die Schneehäufchen bewundern, die hübsch alle paar Meter aufgetürmt waren. Ach herrje, der Winterdienst der Berliner S-Bahn hatte auch schon mal besser gearbeitet. Ohne Scheiß, aber zu DDR-Zeiten hatte man das besser hinbekommen. Da waren die Mitarbeiter der jeweiligen Bahnhöfe fix zur Stelle, griffen zur Schaufel und schoben den Schnee ans hintere Ende und streuten Sand. Zur Not tat es auch mal Asche. Heute muss man selbst als Mann, der richtig gut zu Fuß ist, höllisch aufpassen, damit man sich nicht auf die Fresse packt.

S-BahnJa, sorry, aber es muss so deutlich ausgesprochen werden. Die vordere Treppe des S-Bahnhofs Sonnenallee in Richtung Bushaltestelle spottete nämlich jeder Beschreibung. Die eh schon glatten Fliesen wurden nun in Kombination mit dem Schneematsch zu einer echten Gefahrenquelle. Eiernd hasteten die Leute am Treppengeländer hinunter, um den Bus M41 in Richtung Hermannplatz zu bekommen. Die S-Bahn empfahl nämlich auf die BVG umzusteigen. Prima Idee mitten im Berufsverkehr. Dass die spärlich geräumte Haltstelle hübsch gefüllt war, versteht sich von selbst. Um nach Treptow oder Ostkreuz zu kommen, bleibt quasi nur der Umweg mit dem Bus.

TreppenUnd nun das Sahnehäubchen des Tages! Man glaubte es kaum! Fahrscheinkontrolleure im Linienbus! Dazu sei gesagt, dass man in den Berliner Linienbussen eh vorne beim Fahrer einsteigen und dort sein Ticket zeigen muss. Bei dem gestrigen Fahrgastaufkommen war jedoch zu rechnen, dass zahlreiche Leute beim Einsteigen auch die hinteren Türen nutzen würden. Ob Zufall oder nicht. Genau zu jener Zeit hatte die BVG nichts anderes zu tun, als die überaus genervten Fahrgäste, die zum Teil heftige Umwege in Kauf nehmen mussten und Ölsardine spielen durften, von ihren Kontrolleuren auch noch das Vorzeigen der gültigen Fahrscheine zu fordern?! Keine Frage, das führte zu manchen Gesichtsentgleisungen und auch zu verbalen Wutattacken. Nicht jeder befand sich gerade auf dem Heimweg – es gab auch Leute, die eben zur Arbeit fuhren und mächtig unter Zeitdruck standen. Ein Ausweichen auf das eigene Auto war am gestrigen Tag auch nicht die wahre Möglichkeit, schließlich werden in vielen Ecken Berlins die Nebenstraßen sehr zeitverzögert oder eben gar nicht geräumt.

Dass die BVG an vielen Stellen der Stadt die Kontrolleure auf die Piste schickte, war am späteren Abend von zahlreichen Leuten zu hören. Wahre Wutattacken entluden sich in sozialen Netzwerken. So fragte ein Facebook-User: „An Dreistigkeit nicht zu überbieten?“ So gab es am Bahnhof Alexanderplatz einen groß angelegten Einsatz von Kontrolleuren, die manch eine gestressten Berliner so richtig auf die Palme brachte. Da jedoch der Durchschnittsberliner nicht aufs Maul gefallen ist, gab es laut Aussagen von Augenzeugen eben welche, die ihrer Wut freien Lauf ließen. Der Einsatz der Berliner Polizei war somit von Nöten.

Wollen wir jedoch nicht alles an diesem Kontroll-Einsatz der BVG festmachen. Viel mehr zeigte sich wieder, wie an allen Ecken und Kanten gespart wurde und gespart wird. Es fehlt schlichtweg an Personal, um einfach mal paar Schippen Sand auf die Treppen der S-Bahnhöfe zu streuen. Bahnsteige werden nur notdürftig geräumt und bestreut. Kein Wunder, da meisten Berliner Bahnhöfe inzwischen verwaist sind. Von den Nebenstraßen und Bürgersteigen der Stadt ganz zu schweigen. Unter dem Strich ein totales Armutszeugnis, das erahnen lässt, wie es wäre, wenn Berlin mal wieder einen richtigen Wintereinbruch erleben würde...

Fotos: turus.net

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Berlin

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