Fürstliches Abschiedsgeschenk: 72 Millionen Franken fürs Nichtstun

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Fürstliches Abschiedsgeschenk: 72 Millionen Franken fürs Nichtstun

Tasche voller GeldDaniel Vasella, langjähriger Chef des Großkonzerns Novartis geht in Rente. Dabei hat sich der aus dem Kanton Graubünden stammende Vasella von Novartis ein Abschiedsgeschenk ausgehandelt. Dafür, dass er der Konkurrenz keine Geheimnisse verrät, soll er 72 Millionen Franken (58 Millionen Euro) erhalten. Doch jetzt will er das Geld nicht mehr. Was ist passiert? Vasella galt und gilt im Volksmund als König der Abzocker. Jahr für Jahr ließ er sich Löhne auszahlen, mit denen sich nicht einmal Banker messen konnten. Die öffentliche Empörung über seine exorbitanten Bezüge ließ ihn kalt. Er fand und findet, er hat einen so hohen Lohn verdient: Er sei das Geld wert, wie er selber immer betont, weil sein Konzern hochprofitabel ist. 

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Offenbar ist das aus seiner Sicht in erster Linie sein Verdienst, denn er verdient rund 4000-mal mehr als die Mitarbeiter mit den niedrigsten Löhnen. (Die EU sieht ein Verhältnis von 1:12 als fair an). Nun kündigte der bald 60-jährige Bündner seinen Rücktritt an und bestätigte, dass der Verwaltungsrat ihm einen finanziellen Obolus gewährt, damit er keine Konzerngeheimnisse ausplaudert. Als wenn man dies von einem langjährigen Konzernchef nicht als selbstverständlich erwarten könnte. Schließlich verlangt man ja auch von jedem Angestellten Loyalität. Der Betrag sei ein tiefer Millionenbetrag, ließ der strahlende Vasella ausrichten, er und Novartis hielten den Vertragsinhalt geheim. 

Es steht eine Volksabstimmung an, die die Wirtschaftselite fürchtet wie der Teufel das Weihwasser: Die sogenannte Abzockerinitiative. Sie verlangt unter anderem, dass genau solche Abgangsentschädigungen verboten werden. Zuwiderhandlung würde dann mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren sanktioniert. 

In der Schweiz hatte sich in den neunziger Jahren eine Managerelite herausgebildet, die sämtliche Maßstäbe sprengte und sich Löhne ausbezahlte, die jede Vorstellungskraft übertraf. Dazu Antrittsgelder, Abgangsentschädigungen in Millionenhöhe, selbst wenn der Manager nur wenige Monate in Amt gewesen ist. Vertraglich zugesicherte Boni, goldene Fallschirme, die sicherstellen, dass auch bei einer Entlassung das Geld weiterhin fließt. Diese Kultur der Selbstbedienung griff auf immer mehr Konzerne über. Persönliche Bereicherung war die neue ökonomische Herausforderung. Verwaltungsräte gewährten den CEOs hohe Löhne, im Gegenzug wurden die Vergütungen der Verwaltungsräte erhöht. CEOs wurden in Verwaltungsräte anderer Firmen gewählt, deren CEOs in deren eigener Firma im Verwaltungsrat saßen und sitzen. Dazu kommt, dass die Schweiz auf Eigenverantwortung und Selbstkontrolle setzt. Deshalb sind entsprechende Gesetze lasch oder fehlen ganz und wo es keine griffigen Gesetze gibt, gibt es auch keine Behörde, die das Gesetz durchsetzt. Dies mag ein Grund sein, warum man es in der Schweiz viel mehr übertrieb als beispielsweise in Deutschland. Auch in den USA wird und wurde über die Stränge geschlagen. Wer es dort jedoch zu bunt treibt, landet schon mal hinter Gittern. In der Schweiz hat dies kein Manager zu fürchten. 

Diese Managerelite, die sich bereicherte und bereichert, besteht vor allem aus Finanz-, Versicherungs- und Pharmavertretern, aber auch weitere Branchen ließen sich von der Gier anstecken. Diese Elite übernahm sukzessive die Kontrolle über den mächtigen Wirtschaftsverband Economiesuisse und über die Politik. Selbst die Finanzkrise konnte ihrer Macht wenig anhaben. So erklärt es sich auch, dass die Schweiz keinen Ausweg aus der Schwarzgeldproblematik findet. Denn die Manager von heute sind nicht bekannt für strategische Tiefe oder Weitsicht, sondern vielmehr für Schlaumeierei und Kurzsichtigkeit. 

Diese Kreise übernahmen auch den Abstimmungskampf, um die Abzockerinitiative zu verhindern. Denn ohne die persönliche Bereicherung macht doch Arbeiten keinen Spaß mehr. Zuerst sorgten sie dafür, dass die Politik die Initiative auf die lange Bank schob. Ganze fünf Jahre schmorte die Initiative im Parlament, danach ließ sich der Abstimmungstermin nicht mehr verhindern. Dann leistete sich die Economiesuisse eine millionenschwere Abwehrschlacht. Das ganze Land wurde mit Plakaten zugepflastert, sie bezahlten Studenten für das Verfassen von Onlinekommentaren, ließen Gefälligkeitsgutachten erstellen, kauften Internetdomains der Befürworter und ließen einen Werbespot drehen, der 300.000 Franken gekostet haben soll (aber nie gezeigt wurde) und der – so weiss man heute - bei einer Annahme der Initiative das Ende der Schweiz heraufbeschwört. 

Der Abstimmungskampf war allerdings äußerst fantasielos. Seit Jahren droht die Wirtschaft bei jeder ihr unangenehmen Abstimmung mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Das hat bisher auch immer sehr gut funktioniert, seit einiger Zeit zieht diese Angstmacherei nicht mehr, sie hat sich abgenutzt. Der Bundesrat (das Schweizer Pendant zur Bundeskanzlerin) hat sich wie so oft in den Dienst der Economiesuisse gestellt, wie auch die bürgerliche Parteien im Parlament, die sich nach wie vor weigern, ihre Parteienfinanzierung offenzulegen, denen aber eine finanzielle Abhängigkeit von Finanz- und Pharmakreisen nachgesagt wird. 

Die Nähe zu den Abzockern wird der Economiesuisse nun zum Verhängnis, denn der Economiesuisse  gelingt es einfach nicht, die Medien für sich zu instrumentalisieren. Statt über die Abzockerinitiative zu reden, bricht Woche für Woche ein medialer „shit-storm“ über die Economiesuisse her. Man wird auch den Eindruck nicht los, dass es selbst in den Chefetagen von Economiesuisse und der Großkonzerne Befürworter für die Initiative gibt, die das natürlich niemals öffentlich zugeben würden. Die Rache der skrupellosen Abzocker wäre ihnen sicher. Selbst der geheime Vertrag der Novartis mit Daniel Vasella über sein „Abschiedsgeschenk“ ist an die Öffentlichkeit gelangt: 72 Millionen Franken bekommt er dafür, dass er der Konkurrenz keine Geheimnisse verrät. Zähneknirschend bestätigte kurz darauf Novartis den Betrag. Die öffentliche Empörung war sich Novartis sicher, dies hat bisher aber weder die Abzocker noch die Konzerne groß gekümmert. Doch in rund zwei Wochen wird über die Abzockerinitiative abgestimmt, was für eine Steilvorlage für die Befürworter! 

Der Schreck im wirtschaftlichen und politischen Etablissement saß dementsprechend tief. Wer weiß schon, was alles auf Vasella niederprasselte, der als besonders stur und besonders hart im verhandeln gilt. Am nächsten Tag verkündete er, dass er die 72 Millionen spenden will. Es war zu spät. Denn nun wurde ihm vorgeworfen, dass er damit nur Steuern sparen wolle, denn Spenden kann man von der Steuer abziehen. Verzichten solle er. Nun geriet der Verwaltungsrat der Novartis ins Visier, der die Summe für Vasella abgesegnet hatte. Aktionäre drohten diesem mit Strafanzeige und mit einer Verweigerungshaltung an der kommenden Aktionärsversammlung. Danach wurden weitere Personen, die in diese Abgangsentschädigung involviert waren, ins Fadenkreuz genommen. Wer auch immer beim Angriff auf Vasella und Novartis die Strippen zog, er ließ dem Basler Grosskonzern keine Chance. Der Reputationsschaden wurde für Novartis zu groß, den kann sich offenbar nicht einmal Novartis leisten. Daniel Vasella ließ jüngst verkünden, dass er auf die 72 Millionen Franken verzichte, was ihm unmittelbar den Vorwurf eintrug, dass man auf etwas nicht verzichten könne, was einem nicht zustehe. 

Es war die Königin der Schweizer Banken, die UBS, die sicherlich ungewollt das Ende des Bankgeheimnisses eingeleitet hatte. Der König der Abzocker hat der Abzockerinitiative sicherlich ungewollt zum entscheidenden Durchbruch verholfen. Selbst die Gegner glauben nicht mehr daran, dass sie die Annahme der Initiative verhindern können und beginnen mit der gegenseitigen Schuldzuweisung. Die Wirtschaftselite hat dann noch die Möglichkeit, die Initiative bei der Ausarbeitung der Gesetze durch ihre Handlanger in der Politik verwässern zu lassen. 

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