Über 20.000 fordern Neuausrichtung der Agrarpolitik: Wir haben es satt!

MB Updated
Über 20.000 fordern Neuausrichtung der Agrarpolitik: Wir haben es satt!

Wir haben es sattAnfangs sah es am Berliner Hauptbahnhof so aus, als würden dieses Jahr weitaus weniger Menschen an der Demonstration „Wir haben es satt!“ teilnehmen. Der Eindruck täuschte. Auf Grund der Baustelle auf dem Washingtonplatz standen die Teilnehmer zu Beginn nicht ganz so kompakt. Letztendlich wurde es wieder eine recht stattliche Anzahl an Bürgern, die für eine andere Agrarpolitik auf die Straße ging. Über 20.000 Menschen strömten in Richtung Kanzleramt, wo vor der aufgebauten Bühne eine Abschlusskundgebung stattfand. Während die ersten Demonstranten bereits das Ziel erreichten, setzte sich das Ende des Zuges erst in Bewegung.

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Wir haben es satt!Allerdings war die Demo-Route um einiges kürzer als letztes Jahr. Mehr reden, weniger laufen – so schien die Devise zu sein. Vom Hauptbahnhof aus ging es über die Hugo-Preiß-Brücke und das Kapelle-Ufer bis zur Brücke an der Reinhardstraße, von wo aus entlang der Konrad-Adenauer-Straße die Bühne nahe der Schweizerischen Botschaft und des Kanzleramtes erreicht wurde. Die Friedrichstraße blieb am heutigen Nachmittag einer anderen Demonstration vorbehalten, und zwar der gegen die geplanten Flugrouten und Nachtflüge am Flughafen Schönefeld.

Wir haben es satt!Bunt, einfallsreich, motiviert und lebhaft zogen die Teilnehmer der Wir-haben-es-satt-Demo zum Endpunkt der Route. Der Anblick ähnelte stark dem der letztjährigen Demo, die am 22. Januar 2011 stattgefunden hatte. Weshalb auch nicht? Sind die Forderungen immer noch die gleichen wie im Jahr zuvor. Sehr viel getan hatte sich in der Zwischenzeit gewiss nicht. Stark ist die Agrarlobby, schwer ist gegen die Politik anzukämpfen. Allerdings ist auch die Power der Veranstalter nicht zu unterschätzen. Die heutige Demo war von vorn bis hinten wieder perfekt organisiert, ein breites Bündnis hatte dies möglich gemacht. Und dieses Bündnis versucht auch an vielen Ecken in Deutschland und der EU die Hebel anzusetzen. Von der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ über den Campact e.V. bis zum BUND. Weitere Bündnispartner der diesjährigen Demonstration waren unter anderen der Deutsche Tierschutzbund, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL), der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), oxfam Deutschland und die NABU.

Wir haben es satt!Da derzeit die Weichen für die Agrarpolitik bis 2020 gestellt werden, lauten die Forderungen wie folgt: Der Fleischindustrie den Geldhahn abdrehen, Exportsubventionen stoppen, Spekulationen mit Lebensmitteln beenden, heimisches Futter statt Gentechnik-Soja fördern, faire Regeln durchsetzen statt Agrarmärkte subventionieren, Subventionen an soziale ökologische und Tierschutzkriterien binden. Auf den Punkt gebracht lauten im Kern die drei Hauptforderungen: Ja zur bäuerlich-nachhaltigen Landwirtschaft. Ja zum Menschenrecht auf Nahrung. Respekt vor den Tieren in der Landwirtschaft.

> zur turus-Fotostrecke: Demo in Berlin 2012 „Wir haben es satt!“

Auf der Abschlusskundgebung mahnte die Nigerianerin, Mariann Bassey, Sprecherin von Friends of the Earth, dem internationalen Umweltnetzwerk des BUND: „Die Politik hat schrankenlose Spekulationen auf Lebensmittel erst möglich gemacht. Gleichzeitig ist sie für den Landraub für Futtermittel und Agrosprit in den Ländern des Südens verantwortlich. Das alles treibt die Lebensmittelpreise hoch und schließt Hungernde vom Zugang zu fruchtbarem Land und zu Lebensmitteln aus. Für das Menschenrecht auf Nahrung müssen Spekulation und der Agrospritboom ausgebremst werden. Die Europäische Agrarpolitik braucht eine Kehrtwende weg von Überproduktion und Fleischexporten.“

Die Köchin, Gastronomin und Buchautorin Sarah Wiener erklärte: „Jüngst wurden antibiotikaresistente Keime in Hühnerfleisch gefunden - dies ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben diese ständigen Lebensmittelskandale satt. Es ist höchste Zeit, dass endlich grundlegende Konsequenzen daraus gezogen werden. Wir müssen weg von der Agrarindustrie, hin zu einer bäuerlichen und nachhaltigen Landwirtschaft."

Der Jung-Bauer Moritz Schäfer von der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL) betonte: „Unser breiter Protest gegen die Agrogentechnik wirkt: BASF musste ihre Gentech-Kartoffel in Europa aufgeben, da die gesellschaftliche und bäuerliche Akzeptanz fehlt. Es ist auch eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung, denn die Amflora von der BASF war die erste Kartoffel, die es in einen Koalitionsvertrag schaffte. Auch in der EU-Agrarpolitik forciert Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner bislang die Agrarindustrie.Und das obwohl die agrarindustriellen Strukturen Klimawandel, Hungerkrisen und das Höfesterben verschärft. Die EU- Direktzahlungen müssen an Arbeitskräfte und Umweltleistungen gebunden und nach oben gekappt werden und dürfen nicht die Agrarindustrie mästen! Dann finden sie auch gesellschaftliche Akzeptanz.“

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, stellte fest: „Es geht um die Systemfrage: Lassen wir es weiter zu, Tiere in Haltungssysteme zu zwingen, die ihnen Schmerzen und Leid zufügen? Denn das ist heute der Alltag für Millionen von Tieren. In den Intensivhaltungen leiden sie direkt. Unter den Folgen leiden aber auch Umwelt, Bäuerinnen und Bauern sowie VerbraucherInnen. Daher braucht es den Schulterschluss gesellschaftlicher Gruppen. Wir kämpfen für mehr Tierwohl im Stall, gegen Gentechnik- Futtermittelimporte aus Übersee und für mehr Unterstützung der bäuerlichen, artgerechten Landwirtschaft.“

> zur turus-Fotostrecke: Demo in Berlin 2012 „Wir haben es satt!“

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