Bambule Berlin - Interview mit Andreas Gläser

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altDer Berliner Autor Andreas Gläser hat nachgelegt. Nach seinen Werken "Der BFC war schuld am Mauerbau" und "DJ Baufresse" folgte nun das Buch "Bambule Berlin". Erschienen Mitte April dieses Jahres beim Iron Pages Verlag. Auf dem Cover ein Farbfoto von 1979. BFC-Fans aus Potsdam vor der Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz. Zwischen seinem Buch "DJ Baufresse", das 2006 erschien, und "Bambule Berlin" liegen vier Jahre. In jener Zeit hatte Andreas Gläser mit der Anthologie "Pauschal ins Paradies" zu tun, dann mit dem Theaterstück "Dynamoland". Die Vorarbeit für das aktuelle Buch dauerte einige Zeit an, doch nun ist es im Handel erhältlich. Das turus-Magazin führte ein ausführliches Gespräch mit dem Autor und klärt einige offene Fragen.
 


turus: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem Buch! Ich habe selten ein Buch gelesen, das so authentisch die Stimmung in der DDR wiedergibt. Die Hauptcharaktere sind wirklich genial gezeichnet. 


altAndreas Gläser: Oh, vielen Dank für das Lob. Das hört man gern! Ich war mir gar nicht so sicher, ob dieses Buch wirklich gut ankommen wird. Nach meinem Verständnis wird so ein Roman authentisch, wenn man einiges weg lässt, also wenn die Protagonisten nicht dauernd so seltsam politisch drauf sind wie in diversen DDR-Specials. Ich wollte nicht dieses vermeintliche DDR-Wir-Gefühl betonen. Auch damals gab es genug Leute, die egoistisch waren und nur meckerten. Das ist wohl Berlin-typisch. Jedenfalls gab es von den ersten Lesern zu über zwei Dritteln ein gutes Feedback auf "Bambule Berlin".

turus: Anfangs war es etwas schwer, in den Stoff und die Schreibweise reinzukommen, doch nach einigen Seiten war ich gefesselt. 
Besonders die Hauptcharaktere Borsig und Klara fand ich beeindruckend beschrieben. Gab es Vorbilder im realen Leben?

Andreas G.: Die Figur Borsig hat aber nicht so viel mit Andreas Gläser zu tun. Ich war im Herbst 1978 ja noch weitaus jünger und war schließlich kein Fußballverächter wie Borsig, und so weiter. Sagen wir mal, ein Drittel aus dem Leben, zwei Drittel Literatur aus dem Weltall. 

turus: Aber Klara! Diese Figur hat doch bestimmt eine Vorlage aus dem realen Leben?

Andreas G.: Ja, genauso wie Paul, oder meinetwegen auch der Blasse. Aber Realität und Fiktion kommen in einem Roman sehr sprunghaft vor, als Autor bewegt man sich da wie beim Bungeespringen. Was am Stoff wahr ist, ist oft die erste Frage des Lesers, aber nach so einem jahrelangen Arbeitsprozess lässt sich das kaum noch so genau auseinander puzzeln. Ich bin auch nicht der einzige Autor, der darauf Lust hat.
Wenn die Geschichte gut geschrieben ist, wirkt eben alles authentisch, obwohl ich gerade zum Beginn der Geschichte einige Signale setzte, dass nicht alles so für bare Münze genommen werden muss, zum Beispiel die Existenz einer Straße der Arbeiterverräter. Fußball-Fans wollen oft eine Literatur, die ihre Vereins-History abfeiert, das hat mich nicht interessiert, mein Roman ist kein Sachbuch.

turus: Bevor ich es vergesse. Dieser Begriff "Formation". War der wirklich in der DDR üblich?

Andreas G.: Durchaus. "Formation" war ein geläufiger Begriff für eine Musikgruppe, zumindest in den Zeitschriftenartikeln. Im Buch wollte ich meiner Formation irgendwann einen richtigen Namen zukommen lassen, fand aber bald, dass es für deren Stagnation am treffendsten sei, wenn sie sozusagen eine "Band ohne Namen" bleibt.  

turus: Wann genau entstand die Idee für dieses Buch?

Andreas G.: So um 2007. Es gab so was wie eine Urversion, aber ganz anders. Der zeitliche Rahmen zwischen den beiden Derbys reizte mich von Anfang an. Ich wollte eine verkappte Fußball-Millieu-Geschichte erzählen, aber keine Fan-Karriere über zwei oder drei Jahrzehnte, sondern was daran angelehntes in einem kürzeren Rahmen. Anderseits, alles auf einen Tag zu komprimieren, ging in diesem Fall auch nicht, wie es mal James Joyce und einige seiner Nachahmer gemacht hatten.
Zwei Wochen erschienen mir für meine Story optimal, zumal es diese hervorragende Vorlage gibt, die beiden Pokalsiege, 8:1 und 7:1. Einen Roman zu schreiben war für mich mal was ganz anderes als Kurzgeschichten zu verfassen. Aber aus dem Roman vorzulesen, das ist echtes Neuland. Allerdings lief es neulich während der "Langen Buchnacht" ganz gut. 

turus: Stand der Buchtitel "Bambule Berlin" von Beginn an fest?

Andreas G.: Zuerst sollte das Buch "BFC oder Union?" heißen. Aber bald wollte ich den BFC Dynamo nicht schon wieder bemühen und Union hatte auch nix auf dem Titel zu suchen. "Zwischen den Derbys" fand ich zwischenzeitlich ganz flott für meine Räuberpistole aus Plaste und Elaste, die beginnt beim Pokalhinspiel und endet beim Rückspiel.
Anfangs wusste ich kaum, was dazwischen passieren soll. Jedenfalls wollte ich nicht das wiederholen, was ich im Debüt erzählt hatte. Ich schickte meinen Protagonisten Borsig ins Rennen, einen Fußballverächter. Anfangs gab es eine andere Erzählerperspektive, ganz andere Namen. Stück für Stück formte sich die Sache zu dem, was es nun ist. Ach ja, und ich wollte nicht so viel Fußballkram schreiben. Der Protagonist wurde bewusst neutral gehalten. Klar, das Buch ist pro BFC. Das war gar nicht so geplant, hat sich aber so entwickelt. Ist auch nicht schlimm. 

turus: Okay, und wie kam es zum aktuellen Titel?

Andreas G.: "Bambule Berlin" hatte ich als Titel schon einige Jahre im Köpfchen, allerdings für eine 1. Mai-Hooligan-Eckkneipen-Anthologie. Wäre wohl verschenkt gewesen. Anthologien werden nicht beachtet. 

turus: Von Aufbau zu Iron Pages ...? Gestaltete sich die Suche schwierig?

Andreas G.: Das Buch "DJ Baufresse" lief im Vergleich zu "Der BFC war schuld am Mauerbau" nicht allzu gut. Aufbau hatte kurzzeitig Insolvensprobleme ... 
Ich verschickte von "Bambule" einige unausgegorene Ur-Versionen, aber die Verlage sind keine Schreibwerkstätten. Mein Bonus vom Debüt zählt nur beim Publikum. Agenten und Verleger kümmern sich lieber um die Klagenfurther Schnarchnasen.
Jedenfalls konnte ich im Sommer 2009 unmöglich einem alten Verbündeten die neue heiße Version antragen. Ich meldete mich beim Iron Pages Verlag. Den Verleger kenne ich bereits seit 1993/94, aus gemeinsamen Fanzine-Tagen; er war beim "Eis-Dynamo", ich beim "Zonenzombie"; er ist immer noch dort, ich bin inzwischen beim "Zugriff". Belletristik macht er sonst kaum. Für ihn kam ich als Ex-Aufbau-Autor mit neuer "Bambule" aber nicht ungelegen. Mit den Jungs vom IP Verlag lässt sich kollegial arbeiten. Mit denen kann man abends auch mal ein Bier trinken gehen.

altturus: Die Geschichte spielt im Herbst 1978. Waren allein die beiden Derbys im FDGB-Pokal zwischen dem BFC Dynamo und dem 1. FC Union dafür  ausschlaggebend, dass die Story in jener Zeit spielt?

Andreas G.: Es hätte theoretisch auch zur Wende oder heute sein können. Ich wollte die Handlung zeitlos gestalten. Zur Not hätte es andere Kinofilme und andere Konzerte gegeben. Nach der Wende gab es einige dicht aufeinander folgende Derbys, die kann gerne jemand aufarbeiten.

turus: Für Leute, die in der DDR aufgewachsen sind oder in ihr zumindest einen Teil der Jugend verlebten, ist das Buch "Bambule Berlin" wie eine 
Zeitreise, doch fällt es anderen Lesern nicht schwer, dieses Buch zu lesen? Gibt es bereits Rückmeldungen von Leuten, die nicht in der DDR gelebt hatten?

Andreas G. (schmunzelnd): Ja, vom Westberliner Verleger ... Inhaltlich gibt es nicht so viele Stolpersteine, wenn man Interesse daran hat. Das war bei "Der BFC war schuld ..." kaum anders. "Bambule" ist für alle lesbar, denke ich. Nach dem Lesen einer Rohfassung meinte Frank Willmann, es würde eindeutig zu viel telefoniert werden, denn in der DDR gab es nicht so viele Telefone, da wurde eher ein Zettel an die Wohnungstür geklemmt. Das habe ich geändert. 

turus: Die Sache mit dem Unfall der Kinder. Die war schockierend. Ist so etwas einmal wirklich passiert?

Andreas G.: Ja, so was denkt man sich nicht aus. In der Haut der Kindergärtnerin hätte man nicht stecken wollen. Einmal vergessen die Bremse 
dieses Wägelchen zu ziehen, und schon war es passiert...

turus: Ist nun ein weiteres Buch in Planung?

Andreas G.: Klar. Es soll nicht wieder vier Jahre dauern, bis man vom Gläser was zu lesen bekommt. Ich bleibe dran!

turus: Noch eine andere Frage. Du wurdest in der Gethsemanekirche getauft, in der Greifenhagener Straße bist du in den Kindergarten gegangen. 
Du bist ein echter Junge aus dem Prenzlauer Berg. Fühlst du dich eigentlich hier noch wohl, nach all den Veränderungen im Kiez?

Andreas G.: So nen bisschen Antistimmung ist normal. Andererseits herrscht im Prenzlauer Berg weitesgehend sozialer Frieden. Aber das ist so nen Berliner Ding. Brubbeln gegen Neues. Ein Schmusekurs widerstrebt den Berlinern. Ich fühle mich hier ein wenig wie der letzte Mohikaner. Ja, ja, die Klischee-Schwaben wohnen bei mir.

turus: Andreas, vielen Dank für das informative Interview und viel Glück bei den kommenden Buchprojekten. Wir bleiben am Ball!
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